Gekaufte Doktortitel:Magna cum money

Gegen üppige Honorare erfüllen Promotionsberater den Traum vom Doktor. Doch nicht immer klappt das Geschäft mit dem Titel, das an der Grenze zur Legalität liegt.

Christine Kramer

Es muss eine groteske Situation gewesen sein, als Erwin Schmidt mit seiner Frau im "Autobahn-Rasthaus und Hotel Kassel Ost" sein Sektglas erhob. Die beiden stießen auf seinen neuen Doktortitel an. 15.000 Euro hatte der 52-Jährige zuvor seinem Promotionsberater in einem Aktenkoffer überreicht. Nun hielt er die Urkunde einer norddeutschen Universität in den Händen. "Dr. rer. pol." stand darauf. Und noch etwas hatte der Berater im Gepäck: Er gab eine alte Hausarbeit von Schmidt zurück - als offiziell anerkannte Diplomarbeit samt Zeugnis. Note: 2,0. Sie war seine Eintrittskarte ins Promotionsverfahren.

Doktor, iStock

Ein Doktortitel macht viel Arbeit? Nicht, wenn man einen Promotionsberater hat. Dann kostet er nur viel Geld.

(Foto: Foto: iStock)

Der Doktorvater, den der Promotionsberater an Erwin Schmidt vermittelt hatte, nahm an der Zeremonie auf der Autobahnraststätte nicht teil. Man hatte sich zuvor mehrmals in einem Frankfurter Hotel getroffen und bei Kaffee und Kuchen über die Arbeit gesprochen. Ob der Mann tatsächlich sein Doktorvater war, weiß Schmidt bis heute nicht: "Ich hab ihn nicht nach seinem Ausweis gefragt."

Erwin Schmidt, der eigentlich einen anderen Namen trägt, hatte lediglich einen Vertrag voller verwirrender Details unterschrieben: Der Berater, so heißt es dort, werde sich dafür "einsetzen, dass der Auftraggeber von der Durchführung des Rigorosums", also der mündlichen Doktorprüfung, befreit werde. Die Barzahlung war hier vermerkt, eine Kündigung des Vertrags ausgeschlossen, absolutes Stillschweigen auf beiden Seiten verpflichtend - es sei denn, der Berater müsste "eigene Interessen wahren".

Eitelkeit und kühle Kalkulation

Skeptisch wurde Schmidt jedoch erst nach fünf Semestern, als sein Berater ihm am Telefon mitteilte, er habe nun Schmidts Dissertation an der Universität eingereicht. Ob er denn keine eidesstattliche Erklärung unterschreiben müsse, hatte Schmidt wissen wollen: "Aber der Promotionsberater hat mich beruhigt und gefragt, wie viele persönliche Exemplare ich haben möchte. Die kamen mit Universitätswappen auf dem schicken Einband per Post."

Wenn Schmidt von der professionellen Abwicklung durch den Promotionsberater erzählt, ist er kaum zu bremsen. Eine Mischung aus Begeisterung und Verzweiflung treibt den Beamten um, der bis heute nicht klar sagen will, ob er seine Arbeit nun selbst geschrieben hat oder nicht.

Ungefähr 200 Personen habe er ausfindig gemacht, die ebenfalls auf den Berater hereingefallen seien, darunter viele Steuerberater und Rechtsanwälte. Sein Geschäft mit dem Promotionsberater flog auf, als er für ein politisches Amt kandidierte und verraten wurde. Wegen Urkundenfälschung wurde ihm der Titel aberkannt, 70 Tagessätze wurden zur Bewährung ausgesetzt.

Die Klienten von Promotionsberatern sind fast immer mittleren Alters, sie stehen erfolgreich im Berufsleben und träumen von einem Doktortitel. Mal ist es Eitelkeit, mal kühle Kalkulation: Laut der Unternehmensberatung Kienbaum verdienen promovierte Abteilungsleiter 13.000 Euro im Jahr mehr als ihre Kollegen mit Staatsexamen oder Diplom.

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Magna cum money

30.000 Euro für den Doktor aus Osteuropa

Wie weit die Beratung gehen darf, ist seit Jahrzehnten umstritten. "Ich bin der Mini-Doktorvater", sagt der Hamburger Promotionsberater Paul Jensen, der nach eigenen Angaben völlig legal Kontakte zu osteuropäischen Universitäten vermittelt. Pro Auftrag veranschlagt er 30.000 Euro, ein großer Teil davon seien Studiengebühren. Schließlich wollen seine etwa 300 Klienten "so bequem wie möglich promoviert werden". Da übernimmt sein Team auch mal die Literaturrecherche und stellt Material zusammen. Ebenfalls zum Service gehört, dass er mit seinem Klienten beim Doktorvater auftritt: "Wir arbeiten immer zu dritt."

Das Thema beschäftigt den Deutschen Hochschulverband als Standesorganisation der Uni-Professoren. Der Verband schlägt vor, die übliche eidesstattliche Erklärung zu reformieren. Künftig soll der Doktorand namentlich aufführen, wer bei der Dissertation geholfen hat. "Wir gehen natürlich davon aus, dass diese Stelle leerbleibt", schränkt Verbandssprecher Matthias Jaroch ein. Denn die Suche nach einem Doktorvater und die Literaturrecherche seien entscheidende Bestandteile einer Promotion.

Manche Juristen sehen das anders. "Ich weiß nicht, was dagegen einzuwenden ist, wenn ein Anwalt, der nebenberuflich promoviert werden will, seinen Referendar zur Literaturrecherche in die UniBibliothek schickt", sagt etwa der Saarbrücker Anwalt Wolfgang Zimmerling. Der Autor des Buches "Akademische Grade und Titel" beruft sich gern auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln, das die Promotionsberatung als eine "zulässige Dienstleistung" eingestuft hat.

Wie schmal der Grat zwischen Dienstleistung und Betrug ist, zeigt ein drittes Beispiel. Vor dem Landgericht Hildesheim wird in der nächsten Woche folgender Fall neu aufgerollt: 4100 Euro pro Kopf soll der Hannoveraner Jura-Professor Thomas A. von einem Promotionsberater aus Bergisch Gladbach bekommen haben. Dafür sollte er insgesamt 69 Studenten zur Promotion zulassen, die dort eigentlich nichts zu suchen haben, weil ihr Examen nur "befriedigend" oder schlechter ausgefallen war.

Unabhängige Zweitgutachter

Ein klarer Fall von Bestechlichkeit, findet die Staatsanwaltschaft Hannover. Der Promotionsberatung wird entsprechend Bestechung vorgeworfen. Der Professor sitzt seit vergangenem September in Untersuchungshaft. Hans Holtermann, der Verteidiger des Promotionsberaters, sagt: "Wir bezweifeln, dass Geld einen Einfluss auf die Entscheidung hatte. Sonst hätte der jeweils unabhängige Zweitgutachter doch nicht der Zulassung zugestimmt."

Tatsächlich legten die Studenten ordnungsgemäß hervorragende Exposés oder gar fertige Arbeiten vor. Neben Thomas A. schrieb daraufhin ein zweiter Professor ein positives Gutachten - und das Promotionsverfahren nahm seinen normalen Gang. Neun Kandidaten tragen seither einen Doktortitel, den sie vielleicht sogar behalten dürfen, wenn die Verteidigung mit ihrem Argument durchkommt.

Nutznießer der unendlichen Diskussion darüber, was genau eine Promotion beinhaltet und wie sie abzulaufen hat, sind vordergründig die Promotionsberater. Eine zentrale Stelle, die Promotionsregeln festlegt, gibt es nämlich nicht: Promotionsordnungen liegen allein in der Verantwortung der Hochschulen.

Immerhin hat die Universität Hannover die Promotionsordnung ihrer juristischen Fakultät inzwischen geändert. Die Zusammenarbeit mit einem Promotionsberater ist nun untersagt, für Studenten mit einem "ausreichenden" Examen soll es keine Ausnahmen mehr geben. Bei "befriedigenden" Examina kann man sich jedoch weiterhin um eine Ausnahmeregelung bemühen. Die Befreiung von der Note muss ein Jahr vor Einreichung der Dissertation ausgesprochen werden, damit Studenten nicht mit einem fertigen Manuskript um eine Zulassung bitten, die der Professor schon wegen der geleisteten Arbeit zu erteilen bereit ist.

Auf Länderebene hat sich nur Nordrhein-Westfalen dazu durchgerungen, im Hochschulgesetz zu vermerken, dass "akademische Grade nicht gegen Entgelt vermittelt werden dürfen". "Sehr löblich", heißt es dazu vom Hochschulverband. In verschiedenen Resolutionen preist dieser die Bedeutung einer seriösen Promotion für die "internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Universität" und stuft die Arbeit sogar als "konstitutives Element" der Alma Mater ein.

Professoren sollen weiterhin durch ihren persönlichen Einsatz Doktoranden fördern und begleiten. Auch die Zulassung zur Promotion soll im Ermessen der Professoren liegen und nicht etwa Aufgabe eines Gremiums werden. Der Verband fordert Hochschullehrer ausdrücklich auf, Doktoranden mit Berufserfahrung außerhalb der Uni zu suchen.

Straftat Ghostwriting

Gerade diese Kandidaten, die für eine wissenschaftliche Karriere wegen ihres Alters kaum in Frage kommen dürften, vermitteln Promotionsberater. Sie bieten ihre Dienste in den entsprechenden Fachzeitschriften an und bleiben erstaunlich lange im Geschäft.

Ein gesundheitliches Gutachten soll nun klären, ob der 67-jährige Promotionsberater aus Bergisch Gladbach, mit dem Thomas A. zusammengearbeitet hat, verhandlungsfähig ist. In einem gesonderten Prozess werden er und sein 52-jähriger Mitgesellschafter vermutlich auch die Frage beantworten müssen, ob die Studenten 20.000 Euro und mehr an ihn zahlten, damit sein Büro die Dissertationen verfasst. "Ghostwriting" wäre die einzig eindeutige Straftat im Geschäft der Promotionsberater - einen Beweis gibt es bis heute nicht.

Auch der Hamburger Promotionsberater Paul Jensen versichert: "Wir machen nur Vorschläge." Erwin Schmidt hat seine Promotionspläne noch nicht aufgegeben - trotz des Reinfalls mit dem dubiosen Berater. In Kürze will er an einer deutschen Uni seinen Master in Soziologie machen - und danach promovieren.

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