Gehaltslücke zwischen den Geschlechtern:Gerechtigkeit erst ab 2067

Dass Frauen in einer vergleichbaren Position weniger verdienen als Männer, ist nicht neu. Britische Forscher haben jetzt ausgerechnet, wann sich das ändert. Das Ziel liegt noch in weiter Ferne.

Manuel Heckel

Es ist ein langer Weg bis zur Gleichberechtigung. Forscher aus Großbritannien wollen jetzt die exakte Dauer für die Anpassung der Löhne gefunden haben: Im Jahr 2067, teilte das Chartered Management Institute (CMI) mit, werden Brite und Britin gleich viel verdienen. Das Institut beobachtete das Gehaltswachstum in Großbritannien und wertete die Einkommen von 43.000 Angestellten in beinahe 200 Firmen aus.

Gehalt Frau Gehältervergleich

Wir würden zu gerne die Geldscheine des Kollegen zählen - aber gesprochen wird darüber nicht.

(Foto: iStock)

In den vergangenen zwölf Monaten wuchs der Lohn von Frauen um 2,8 Prozent, der von Männern um 2,3 Prozent. Ein britischer Manager verdient im Durchschnitt rund 12.000 Euro mehr im Jahr als eine Frau in gleicher Position. Das CMI rechnete einfach die Wachstumsraten hoch - und kam auf die Spanne von 57 Jahren bis zum Lohnausgleich.

Bei den Gehältern von Berufseinsteigern beträgt der Unterschied immerhin noch etwa 1300 Euro. "Mädchen, die in diesem Jahr zur Welt kommen, werden wohl vierzig Jahre lang bei ungleicher Bezahlung arbeiten", sagt Petra Wilton vom CMI. Nicht nur die Regierung müsse handeln, auch die Wirtschaft sei gefragt: "Manager werden die besten weiblichen Talente nicht für sich gewinnen, wenn sie weiter so geringgeschätzt werden."

Auch in Deutschland empören sich Wissenschaftler über ungleiche Löhne: "Es muss sich grundsätzlich etwas ändern", forderte etwa Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor wenigen Wochen. Auch hierzulande klafft eine große Lücke zwischen den Gehältern. Im Durchschnitt liegt der Stundenlohn der Frau 23 Prozent unter dem des Mannes, teilte das Statistische Bundesamt mit. Dabei unterscheiden sich die Abstände je nach Branche: Um 34 Prozent niedriger liegen die Löhne von Frauen, die freiberuflich wissenschaftliche und technische Dienstleistungen anbieten. Im verarbeitenden Gewerbe, bei den Finanz- und Versicherungsunternehmen, in der Kommunikationsbranche und dem Unterhaltungssektor liegt die Quote bei knapp 30 Prozent.

Offene Diskriminierung

Am geringsten fallen die Gehaltsunterschiede im Bergbau aus. Hier liegen nur vier Prozent zwischen dem Stundenlohn von Mann und Frau. Auch im Verkehrsgewerbe haben Frauen fast aufgeschlossen - hier beträgt der Abstand nur sechs Prozent. In der Entsorgungsbranche beträgt die Differenz acht Prozent.

Verschiedene Gründe sind nach Ansicht der Europäischen Kommission für Gehaltsunterschiede verantwortlich. So hätten Frauen nur halb so oft wie Männer einen Abschluss in mathematischen, technischen oder naturwissenschaftlichen Fächern. Der aber führe häufig zu höheren Einkommen. Außerdem bemängelt die Kommission eine offene Diskriminierung: Trotz gleicher Leistung weigere sich mancher europäische Arbeitgeber, Frauen den gleichen Lohn zu zahlen wie ihren männlichen Kollegen.

Europaweites Schlusslicht

DIW-Forscherin Holst beklagt eingefahrene Denkweisen: "Wir haben bewusst oder unbewusst bestimmte Vorstellungen über die Aufgaben und Fähigkeiten von Frau und Mann im Haushalt und bei der Erwerbstätigkeit." In Deutschland habe die konservative Adenauer-Ära ein solches Rollenbild geprägt. Laut Statistischem Bundesamt unterbrechen Frauen außerdem weitaus häufiger die Karriere, weil sie sich um ihre Kinder kümmern - und steigen später in Teilzeitarbeit wieder ein. Bemerkbar bei den Gehaltsunterschieden mache sich auch die geringere Zahl von Frauen in Führungspositionen.

Europaweit gehören sowohl Deutschland als auch Großbritannien zu den Schlusslichtern: Ähnlich schlecht schneiden nach diesen Berechnungen Österreich und Tschechien ab. Schlusslicht ist Estland - hier liegen 30 Prozent zwischen den Stundenlöhnen der Geschlechter. Im Durchschnitt unterscheiden sich die Einkommen um 17 Prozent. Am nächsten dran an der gleichen Entlohnung ist Italien, wo die Frau knapp fünf Prozent weniger verdient.

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