Für wen eignet sich ein duales Studium?:Lohn der Mühe

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Das duale Studium erfordert von den Studierenden viel Einsatz und die Bereitschaft, auf einen Großteil der Freizeit zu verzichten. Party machen muss weitgehend verschoben werden auf die Zeit nach dem Abschluss.

Von Sabine Meuter /dpa

Lange ausschlafen kann Annabella Peekhaus am Wochenende nur selten. Während Gleichaltrige samstags ihre Freizeit genießen, besucht die 22-Jährige die Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach. Die junge Frau hat sich für ein duales Studium entschieden. Sie absolviert das knapp dreijährige Ausbildungs- und Studienprogramm Wirtschaftsinformatik (WIN) beim Pharma- und Chemiekonzern Bayer in Leverkusen. Das heißt, sie nimmt innerhalb der fast 36 Monate an Vorlesungen teil, besucht die Berufsschule und arbeitet als Fachinformatiker-Auszubildende im Unternehmen mit. Das klingt anspruchsvoll - und das ist es auch. "Ausschlaggebend war für mich der unmittelbare Praxisbezug", erzählt Peekhaus. An einer Universität nur Theorie büffeln und das Wissen erst nach dem Abschluss im Berufsalltag anwenden - diese Vorstellung gefiel ihr nicht. Aber auf ein Studium zugunsten einer klassischen Ausbildung verzichten wollte sie auch nicht. So entschied sie sich, beides zu kombinieren.

Von einem dualen Studium profitieren beide Seiten, die Studierenden und das Unternehmen, das bedarfsgerecht qualifizierte Fachkräfte ausbildet und sie frühzeitig an sich bindet. "Die Abiturienten schätzen neben der Praxisnähe vor allem, dass sie während des Studiums schon Geld verdienen", erklärt Silvia Hofmann vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. Außerdem zahlen die Unternehmen die Studiengebühren. Nicht immer sind die jungen Leute verpflichtet, dem Unternehmen dafür im Gegenzug auch die Treue zu halten. Wie stark die Wirtschaft an hoch spezialisierten Fachkräften interessiert ist, zeigt sich auch daran, dass sich die Zahl der dualen Studiengänge von circa 500 im Jahr 2004 bis heute mehr als verdreifacht hat. "Zuletzt haben die Hochschulen mehr als 47 000 Kooperationsunternehmen angegeben, die das duale Studium unterstützen", berichtet Hofmann und bezieht sich auf Zahlen der BIBB-Datenbank Ausbildung Plus. Gab es im Jahr 2004 noch 41 000 dual Studierende, so ist ihre Zahl im Jahr 2016 auf mehr als 100 000 gestiegen.

Hörsaal, Arbeit im Unternehmen, Hausarbeiten: Multitasking ist ein Muss

Aber: Die von Fachhochschulen, Universitäten und Berufsakademien angebotenen dualen Studiengänge sind höchst unterschiedlich. Peekhaus etwa absolviert ein ausbildungsintegriertes Studium - wenn sie fertig ist, dann hat sie sowohl vor der IHK eine Prüfung zur Fachinformatikerin abgelegt als auch den FH-Abschluss Bachelor of Science in der Tasche. Daneben gibt es praxisintegrierende duale Studiengänge. Hierbei besuchen die Studierenden die Hochschule und arbeiten im Unternehmen mit, erwerben aber nur einen akademischen Abschluss.

"Eines muss aber klar sein: Das duale Studium erfordert ein hohes Maß an Motivation und Engagement", betont Julia Flasdick vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin. Schließlich gilt es, Studium und Ausbildung innerhalb weniger Jahre parallel zu absolvieren. Es reicht nicht im Hörsaal, im Unternehmen und gegebenenfalls auch in der Berufsschule präsent zu sein. Dazu kommen die häusliche Vor- und Nachbereitung. "Das erfordert viel Disziplin und auch die Bereitschaft, für Privates phasenweise weniger Zeit zu haben", so Flasdick. Wem das zu viel ist, der wählt vielleicht besser die klassische Ausbildung. Sie ist weniger zeitaufwendig als ein duales Studium und eröffnet ebenfalls gute Karriereperspektiven. "Einige Firmen bieten auch die Möglichkeit, zunächst die Ausbildung zu durchlaufen und die Entscheidung für ein Studium erst im letzten Ausbildungsjahr zu fällen", erklärt Flasdick.

Abiturienten sollten sich so früh wie möglich über ihre beruflichen Interessen klar werden und nach einem passenden Unternehmen umsehen. Sie wenden sich oftmals direkt an ein Unternehmen - und erst wenn der Bewerbungsprozess erfolgreich war, melden sie sich bei der Hochschule oder Berufsakademie an. Doch auch der umgekehrte Weg ist möglich. Eine Hilfe bei der Suche nach einem dualen Studiengang bieten Online-Stellenbörsen, die Webseiten der akademischen Einrichtungen sowie die vom BIBB betreute Datenbank des Fachportals Ausbildung Plus. "Einige Unternehmen beginnen bereits ein Jahr vor der Einstellung mit der Suche nach geeigneten Kandidaten", sagt Flasdick. Wer also direkt nach dem Abitur studieren will, sollte bereits zu Beginn des letzten Schuljahres Ausschau halten.

Aber nicht jeder Interessent hat Chancen. Die Unternehmen wählen die Kandidaten sorgfältig aus, schließlich investieren sie viel Geld. Nach einer BIBB-Untersuchung bewerben sich im Schnitt 33 junge Leute auf einen dualen Studienplatz. Viele Bewerber schauen bei der Suche nicht zuletzt auf das Gehalt, erklärt Flasdick. Doch auch wenn die Unterschiede teils beachtlich sind, sollte dies nicht das einzige Entscheidungskriterium sein. "Mindestens genauso wichtig ist die Frage, ob das gewählte Studienfach auch tatsächlich den eigenen Interessen entspricht", betont die DIHK-Expertin. Eine ehrliche Antwort hierauf kann jede Menge Frust vermeiden.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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