Führungsspitzen:Weniger Sex, mehr Volksmusik

Die Krise macht vor keinem Bereich des Lebens halt. Sie verursacht sexuelle Frustration und lässt den Buckingham Palace bröckeln. Aber es gibt eine Lösung.

Hermann Unterstöger

Ob die Wirtschaftskrise in ihrer ganzen Größe und Bedeutung schon erfasst, analysiert und letztgültig bewertet ist, weiß der Kuckuck und ist in unserem heutigen Zusammenhang auch unerheblich. Diesmal geht es nämlich weniger um die globalen Verwerfungen als um das Kleinzeug, das durch die Krise natürlich ebenso aufgewirbelt wurde wie das Gewaltige, obwohl es da ja durchaus Unterschiede geben könnte: Taumelt der Globus, bleibt der Kieselstein vielleicht völlig ruhig liegen, und wenn der Sturm über die Heide rast, muss das den Käfer unten im Gras nicht beunruhigen. Gerade weil das so ist, wollen wir mal die Krise von unten betrachten - ein Stück Graswurzelforschung, wenn man so will.

Führungsspitzen: Die Kastelruther Spatzen haben es entdeckt, das Mittel gegen die Krise: Volksmusik.

Die Kastelruther Spatzen haben es entdeckt, das Mittel gegen die Krise: Volksmusik.

(Foto: Foto: dpa)

Trend zum Kuscheln

Die Meldungen, die dieser kleinen Arbeit zugrunde liegen, umfassen den Zeitraum vom Februar bis zum Oktober, und da es sich um zutiefst menschliche Phänomene handelt, wird es niemanden wundern, dass die Liebe den Anfang macht. "Unsichere Börse bringt auch das Sexleben durcheinander", schrieb die Agentur ddp bereits früh im Jahr. Sie bezog sich auf eine Focus-Geschichte, wonach sich Banker bei fallenden Kursen sexuell zwar noch stärker engagieren als bisher, um der miesen Lage etwas entgegenzusetzen, dass der Trend aber mehr zum Kuscheln gehe als zum - äh, kurzum: Frauen, die harte Kerle schätzten, kämen nun schwer ins Hintertreffen.

Kurz danach kam die dpa mit der von der Deutschen Knigge-Akademie inspirierten Neuigkeit heraus, dass es dank der Krise eine Rückbesinnung auf gutes Benehmen gebe, "auf Altbewährtes, das den Menschen Halt gibt". So dürfe man auf einen Nieser seines Gegenübers wieder mit "Gesundheit!" reagieren, eine irritierende Nachricht, weil man weder gewusst hatte, dass das verboten war, noch, dass dergleichen den Menschen Halt gibt.

Der Juni brachte das, was wir Journalisten gern als "Wechselbad" bezeichnen. Das heiße Wasser war die Kunde, wonach in der Krise nicht nur Gummibärchen gut weggehen, sondern überhaupt die Süßwarenbranche im gewohnten "Korridor der Steigerungen" marschiert.

Regenwasser für königliche Pflanzen

Der kalte Guss kam aus einer Ecke, aus der man ihn nicht erwartet hätte. Ein im Nachtzug festgenommener Gewohnheitsdieb beklagte, dass die Leute kaum noch Bargeld mit sich führten, und das klang ganz so, als wollte der Mann sagen, dass man auf diese Weise eine ganze Branche ruiniere. Damit korrespondierte auf fast schon sympathische Weise ein Feature des Evangelischen Pressedienstes epd vom August, in dem geschildert wurde, wie hart es die Königshäuser trifft. Als Experte war der Beste des Genres herangezogen worden: Rolf Seelmann-Eggebert, und von ihm konnte man hören, dass der Buckingham-Palast "an einigen Stellen schon ganz schön ramponiert" aussehe.

So oder so ähnlich muss es überall zugehen, man denke nur an das spanische Königshaus. Dort wurde der Urlaub um zwei Wochen gekürzt, die königliche Yacht -Kosten einer Tankfüllung: 26.000 Euro - läuft seltener als üblich aus, und Königin Sofia lässt den Palastgarten mittlerweile mit Regenwasser gießen (was, wie Gartenfreunde auch vor der Krise schon wussten, für die Pflanzen eh das Beste ist).

Gewohnheitsdiebe und Monarchen

Endlich, im Oktober, wurde ein Mittel gegen die Krise gefunden: die volkstümliche Musik. Der Tipp stammt vom Sänger der Kastelruther Spatzen. Gewohnheitsdiebe und Monarchen werden gut daran tun, sich mit Platten dieser Band einzudecken.

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