Führungsspitzen:Tausend Mal gehört

Von der Linksfraktion bis zur Müllabfuhr: Alle sind "gut aufgestellt". Warum finden Manager nicht den Mut, Floskeln durch überraschende Aussagen zu ersetzen?

Harald Freiberger

Fragt man einen Manager, ob er persönliche Konsequenzen aus dem Milliardenverlust seines Unternehmens ziehen wird, lautet die Antwort meist etwa so: "Der Verlust ist natürlich bedauerlich, aber wir haben uns jetzt restrukturiert und sind für die Zukunft gut aufgestellt, deshalb sehe ich keinen Anlass, persönliche Konsequenzen zu ziehen." Manager können noch so tief im Morast stecken, das Wasser kann ihnen bis zum Hals stehen, aber eines werden sie dabei immer sein: gut aufgestellt.

Führungsspitzen: Gut aufgestellt sind sie alle. Aber was genau soll das eigentlich heißen?

Gut aufgestellt sind sie alle. Aber was genau soll das eigentlich heißen?

(Foto: Foto: dpa)

Die Floskel, gelegentlich noch gesteigert durch ein "sehr gut aufgestellt" oder ein "hervorragend aufgestellt", ist eines der größten Übel in der modernen Wirtschaftswelt. Wer allein die Meldungen der letzten Woche durchgeht, findet sie in den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft.

Das Modehaus Appelrath-Cüpper hat sich mit zahlreichen Maßnahmen gut für die Zukunft aufgestellt. Der agrarpolitische Sprecher der Linksfraktion im Brandenburger Landtag sagte, märkische Produkte seien im Agrarbereich gut aufgestellt, deshalb brauchten ihre Stände auf der Grünen Woche eine bessere Platzierung (um nicht zu sagen: Aufstellung, die Red.). Energie Cottbus fühlt sich auch ohne Innenverteidiger Igor Mitreski, der den Verein verlassen hat, auf dieser Position gut aufgestellt. Der Lebensmittelriese Kraft erklärte, gut aufgestellt zu sein, ebenso die französische Bank Société Générale. Baden-Württembergs scheidender Ministerpräsident Günther Oettinger fühlt sich "in jeder Hinsicht und für jedes Amt in der EU gut aufgestellt".

Fehlt nur noch die Trauerhilfe

Analysten sehen den Versicherer Swiss Life "vor allem im Bereich Leben gut aufgestellt". Es fehlte nur eine Mitteilung der Trauerhilfe Denk, sie sehe sich im Bereich Tod gut aufgestellt. Dafür gab es einen Hinweis von Barbara Schleihagen vom Deutschen Bibliotheksverband, in Baden-Württemberg seien die Bibliotheken noch vergleichsweise gut aufgestellt, was hoffentlich auch für die darin befindlichen Regale gilt.

Niemand hätte es bisher für möglich gehalten, aber auch die Berliner Müllabfuhr ist "gut aufgestellt, trotz aller Probleme, durch den mehligen Matsch an die Abstellplätze zu kommen", wie sie angesichts des Wintereinbruchs verbreitete. Ob eine gut aufgestellte Müllabfuhr wirklich so eine gute Idee ist, sei dahingestellt. Schließlich soll sie ja fahren und nicht gut aufgestellt herumstehen. Das ist überhaupt das Grundproblem des Ausdrucks: "Aufgestellt" signalisiert etwas sehr Statisches, man hat da jetzt etwas hingestellt und dort bleibt es auch. Dabei braucht man in unseren turboschnellen Zeiten doch Dynamik, Flexibilität, anpassungsfähige Strukturen.

Das stellt es einem die Nackenhaare auf

Die Floskel ist zudem so nichtssagend und verbraucht, dass es einem die Nackenhaare aufstellt, wenn man sie hört. Wie wohltuend wäre es, eine Führungskraft zu hören, die das Gegenteil sagt. Aber der einzige bekannte Manager, der sein Team absichtlich schlecht aufgestellt hat, war Sepp Herberger im Vorrundenspiel der WM 1954 gegen Ungarn, als er schon qualifiziert war und die eigene Elf mit der zweiten Garnitur auflaufen ließ, was auch wunderbar klappte: Die Ungarn gewannen 8:3, unterschätzten danach die Deutschen und verloren das Finale mit 2:3. Solche Manager müsste es öfter geben, dann hätte man auch wieder mehr Lust, ihnen zuzuhören. "Leider habe ich mein Unternehmen schlecht aufgestellt, deshalb hat man mich jetzt freigestellt."

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