Führungsspitzen:Schwach-, Stark- und Überleister

In der Krise haben es Nieten schwer: Eine kleine und wahrscheinlich vergebliche Lanze für die Gattung der Low alias Poor Performer.

Hermann Unterstöger

Wenn früher im Zeugnis stand: "Der begabte Schüler könnte mit etwas mehr Fleiß bessere Leistungen erzielen", gab es ein paar hinter die Ohren und das Versprechen, dass von nun an andere Saiten aufgezogen würden. Damit war die Sache beigelegt, und der Schüler kam, bei nie geänderter Begabung/Fleiß-Relation und stets gleichen Saiten, mit Anstand über die Runden. Hätte er geahnt, was Schüler seines Schlages heute wissen, nämlich dass sie Underachiever sind, also Minderleister, wäre er unsicher geworden und hätte möglicherweise mehr als nur die eine "Ehrenrunde" gedreht, die im Rahmen einer durchschnittlichen Schulkarriere wo nicht vorgesehen, so doch jedenfalls kein Schaden war.

Führungsspitzen: Schlechtleister: Er wird Pfeife genannt, wahlweise auch Flasche, Niete oder Nachtwächter.

Schlechtleister: Er wird Pfeife genannt, wahlweise auch Flasche, Niete oder Nachtwächter.

(Foto: Foto: iStock)

Nun gab es freilich auch Schüler, bei denen selbst mit größtem Fleiß nichts zu gewinnen war. Von Underachievement in dem Sinn, dass Hochbegabtheit am pädagogischen Unvermögen des Lehrkörpers scheitert, konnte bei ihnen keine Rede sein. Man zog sie mit, wie das landläufig hieß, und die Tüchtigeren achteten es nicht für Raub, sich vor der Menge der weniger Tüchtigen in einem besseren Licht zu präsentieren. Wenn dann aber einer von denen, die man gern Pfeifen nannte, bei einer Schulaufgabe unerwartet gut abschnitt, war über ihn mehr Freude als über neunundneunzig Gerechte, sprich: Überleister.

Euphemismus von feiner Perfidie

Um von der Schule ins Leben überzuwechseln, so wird der Minderleister dort ebenfalls oft Pfeife genannt, wahlweise auch Flasche, Niete oder Nachtwächter. Der Fachausdruck für ihn aber lautet Schlechtleister respektive Low Performer, Letzteres ein Euphemismus von feiner Perfidie, weil er unterstellt, dass sogar der Schlechtleister so etwas wie eine Performance hinkriegt, und eine Performance ist, was immer man darunter verstehen mag, meist schon die sprichwörtliche halbe Miete.

In guten Zeiten hat auch der Schlechtleister sein Auskommen, er wird wie weiland in der Schule mitgezogen. Anders in den Zeiten der Krise. Da ist, wie Kris Gopalakrishnan vom indischen Softwarekonzern Infosys erst dieser Tage sagte, die Toleranz für schwache Leistungen ("tolerance to poor performance") sehr gering, weswegen 2100 Schwachleister nun freigesetzt wurden. Gopalakrishnan ist CEO des Unternehmens, gehört also zu den Stark-, wenn nicht gar zu den Überleistern.

Plus und Minus, Yin und Yang

Idealerweise müsste man nun ein Theorem entwickeln, wonach der Gut- und der Schlechtleister ganzheitlich zusammengehören wie Plus und Minus, Yin und Yang, Hopfen und Malz, was in gesamtbetrieblicher Anwendung nichts anderes hieße, als dass die im Lichte ohne die im Schatten auch nur halbe Portionen sind. Dazu wäre mehr Platz vonnöten, weswegen hier nur daran erinnert sei, dass das Schwache und Starke auch in der Literatur seinen je eigenen Platz hat.

Thomas Mann schildert im "Tobias Mindernickel" einen typischen Minderleister. "Sein Gesicht sieht aus", heißt es von ihm, "als hätte ihm das Leben verächtlich lachend mit voller Faust hineingeschlagen", und entsprechend düster geht es mit ihm auch aus. Wie anders der Dichter Matthias Koeppel, der sich das Starckdeutsche als seine ureigene Sprache erdachte. "Vn demm Hurrz büsz ze denn Ullpn / Snd di Häusur steitz di sullpn." Schwachdeutsch heißt das, dass die Häuser vom Harz bis zu den Alpen alle gleich aussehen, mit anderen Worten, dass viele Architekten echte Minderleister sind.

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