Führungsspitzen:Mehr Kurven für die Wirtschaft

Von Frauenzeitschriften für das Berufsleben lernen: Weg von den Einheits-Bewerbern hin zum bunten Lebenslauf!

Alexandra Borchardt

Warum einst das niederländische Wort Manneken, also Männchen, Pate stand für die Bezeichnung eines Berufs, in dem schöne Frauen verwegene Kleider über Laufstege tragen, lässt sich schwer ergründen. Schließlich waren die großen Zeiten der Mannequins jene, in denen noch nicht ein jedes zu Ruhm gelangte Männchen das Ziel verfolgte, sich mit Hilfe einer solchen Schönheit eigene Größe zu verleihen. Inzwischen ist aus dem nach Parfum und Croissant klingenden französischen "Mannequin" längst das pragmatisch-amerikanisch abgespeckte "Model" geworden, und was die Größe angeht, gibt es eine klare Ansage: Gefordert wird size zero, also Größe Null.

Führungsspitzen: Warum nicht mal weg von den stereotypen Lebensläufen, die so spannend sind wie die immergleichen Magermodels auf den Laufstegen?

Warum nicht mal weg von den stereotypen Lebensläufen, die so spannend sind wie die immergleichen Magermodels auf den Laufstegen?

(Foto: Foto: ddp)

Von Schlankheitswahn besessen

Sofern in diesen mageren Zeiten Kurven noch gefragt sind, ließe sich an dieser Stelle schnell eine zum Berufsstand des Managers kriegen. Hat das Karrieremachen einige von ihnen doch so ausgezehrt, dass sich ihr menschliches Format ebenfalls in Richtung Größe Null bewegt. Doch selbst jene Chefs, die sich in dieser und anderen Beziehungen eine gewisse Fülle bewahrt haben, sind in den heutigen Tagen vom Schlankheitswahn besessen. Das liegt möglicherweise daran, dass sich auch in den Führungsetagen eine Art Model-Typus vermehrt wie Zellen in der Petrischale.

Konnte zu Mannequin-Zeiten der Vielleicht-später-Karrierist sich noch von der Ausbildung weg nach oben arbeiten, Kunstgeschichte studieren oder gegen den Nato-Nachrüstungsbeschluss demonstrieren, hat so einer schon lange keine Chance mehr. Schließlich müsste er mit Business-School-Absolventen konkurrieren, die Klausuren über Downsizing bestanden haben, Preise für einen Becher Starbucks-Latte in London, Dubai und Hongkong kennen und ihre Kinder schon mal Chinesisch lernen lassen.

Für zu leicht befunden

Das alles hat Vorteile. Schon bald wird niemand mehr in der Vorstandssitzung mit den US-Kollegen wie Günther Oettinger klingen, jeder weiß zumindest theoretisch, was 360-Grad-Feedback ist, und wenn die Krise kommt, werden die Kosten eben nach Lehrbuch gen size zero gedrückt, die ja auch in der Schönheitsindustrie nicht wirklich bei null liegt, sondern da, wo man unter dem schönen Stoff nur noch Haut und Knochen sähe, würde man ihn denn mal lüften.

Die Frauenzeitschrift Brigitte hat ein wenig gelüftet. Gewogen, könnte man auch sagen - und für zu leicht befunden. Seit Jahresbeginn gilt deshalb für Fotos im Heft die Vorschrift "Ohne Models", was in der Branche eine gewisse Unruhe ausgelöst hat. "Die Leute wollen Glamour", ätzt die Konkurrenz, während viele Frauen und volksverstehende Funktionärinnen applaudieren.

Erfahrene Mutter als Organisationsentwicklerin

Eine Reaktion aus der Wirtschaft ist bislang unbekannt. Dabei wäre auch hier die Ohne-Models-Strategie ein schönes Experiment. Statt in Bewerbungs-Dateien nach Elite-Uni und drei-Sprachen-fließend zu fahnden, könnten Firmen den anderen Lebenslauf suchen. Warum zum Beispiel lässt die Bank nicht von einem Ingenieur Businesspläne bewerten? Wie wäre es mit dem Weltreisenden als Produktentwickler für Auslandsmärkte? Oder mit der erfahrenen Mutter als Organisationsentwicklerin?

Und sollte man, statt alle auszuhungern, nicht lieber gezielt füttern und mehr Bewegung verordnen? "Die Leute wollen Glamour", hört man schon den Analysten sagen. Am schönen Schein jedoch fehlt es wenigen Firmen. Wohl aber an der Substanz.

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