Führungsspitzen:Jedem seine Exit-Strategie

Es gibt Dinge, in die gerät man irgendwie hinein. Aber wie geht es wieder heraus? Im Job wie im Leben hilft manchmal nur eines: Den Koffer schnappen und losrennen.

Alexandra Borchardt

Manche Anweisungen werden häufig erteilt und nie befolgt. Gute Chancen auf einer Topliste hätte: "Bitte bleiben Sie angeschnallt sitzen, bis das Flugzeug seine endgültige Parkposition erreicht hat und die Anschnallzeichen erloschen sind." Denn noch während die Stimme aus dem Bordlautsprecher säuselt, reißen Fluggäste an Schnallen, öffnen overhead bins und werfen sich plus Aktenkoffer in den Gang, um beim Wettlauf zum Gepäckband mindestens zwei Sitzreihen gutzumachen. Man könnte sagen, im Flugzeug entwickelt jeder seine persönliche Exit-Strategie.

Führungsspitzen: Wie kommt man aus einer Klemme, in die man sich selbst hineinmanövriert hat, einigermaßen unbeschädigt wieder heraus?

Wie kommt man aus einer Klemme, in die man sich selbst hineinmanövriert hat, einigermaßen unbeschädigt wieder heraus?

(Foto: Foto: AP)

Millionen im Erdnunssbereich

Konjunkturpolitikern und Notenbankern geht es derzeit wie freiheitsberaubten Luftreisenden. Während Ökonomen davor warnen, Milliardenprogramme zu stoppen und Zinsen zu erhöhen, weil sonst doch noch die ganz große Depression folgen könnte, rätseln die Verursacher der Geldströme bereits, wie sich die gegenwärtige Phase elegant beenden ließe, in der für manchen Entscheider 500 Millionen Euro in den Erdnussbereich gehören und selbst 50 Milliarden keinen Kokosnussstatus erreichen. Sie sagen dann, sie suchen nach Exit-Strategien.

Der eine oder andere denkt da gleich an Exitus, was meistens in die Irre führt, obwohl sich die Praxis der katholischen Kirche, Menschen kurz vor dem Ableben die Sterbesakramente zu spenden, als gelungene Exit-Strategie bezeichnen ließe. Im Sprachgebrauch dieser Tage umschreibt der Begriff allerdings meist nur das Problem, wie man aus einer Klemme, in die man sich hineinmanövriert hat, einigermaßen unbeschädigt wieder herauskommt.

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mag sich diese Frage in der vergangenen Woche mit Blick auf das Kundus-Desaster ebenso gestellt haben wie US-Präsident Barack Obama, als er zwischen Friedensnobelpreis und Truppenverstärkung in Afghanistan mäandern musste. Aber auch den Chef im Arbeitsalltag plagt immer wieder die Suche nach der richtigen Exit-Strategie.

Der Chef als Motivationsstaubsauger

Wie zum Beispiel lässt sich den Kollegen vermitteln, dass es in diesem Jahr zwischen Weihnachten und Dreikönig keine geschenkten freien Tage geben wird, ohne gleich als Motivationsstaubsauger dazustehen? Welche kluge Ausrede führt ohne Ansehensverlust aus der Wochenkonferenz mit dem Chef-Chef heraus? Und wie sagt man dem Teamleiter, den man einst so umgarnt hatte, dass er gerne weiter leiten kann, aber dann doch bitte die Außenstelle Kasachstan?

Bei der Beantwortung solcher Fragen erscheint jener Tipp wenig hilfreich, den der Erziehungsberechtigte gerne weitergibt: "Du hast dich selbst in diese Situation gebracht, jetzt musst du auch wieder herausfinden!" Wie es heißt, könnte das Verantwortungsbewusstsein und Ideenreichtum stärken.

Die Parklücken-Strategie

Der Erwachsene greift allerdings lieber zur Parklücken-Strategie: In der Not kurbelt man sich in dieses winzige Ding hinein und hofft, dass sich die Situation bei Abfahrt so grundlegend verändert hat, dass man das Auto locker heraussteuern kann. Oder man lässt einen anderen fahren. Das ist besonders in der Politik beliebt (sollen das die Neuen nach der Wahl machen!), aber auch in der Firma, wo der neue Chef Sparprogramme erst durchsetzen kann, nachdem der alte den Weg heraus gefunden hat. Häufig auf einen besser dotierten Posten. Schließlich wurde nach einer menschlichen Exit-Strategie gesucht.

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