Führungsspitzen:Die Wegwerfmanager

Chefs auf dem Schleudersitz: Der hektische Austausch von Führungskräften beschleunigt meist nur eines: den Niedergang des Unternehmens.

Dagmar Deckstein

Wahl verloren? Der Parteivorsitzende muss weg! Der Konzern schreibt rote Zahlen? Der Vorstandschef muss weichen, aber schnell! Der Fußballverein hat schon zum zweiten Mal das Ligaspiel verloren? Der Trainer muss gefeuert werden, aber zügig! Willkommen im Zeitalter der Wegwerfmanager. Gestern noch auf hohen Rossen, heute durch die Brust geschossen . . . In den deutschen Führungsetagen geht es zu wie bei Wilhelm Hauffs Landsknechten, und als solche dürften sich nicht wenige mit ihrem Söldnerschicksal auch fühlen.

Die zeitgeistige Hektik und Ungeduld der Aufseher, die immer noch einen Zahn zulegen und beschleunigt ihr Spitzenpersonal entsorgen, wirft die Frage auf, wem eigentlich wirklich damit geholfen ist. Vordergründig nur den Aufsichtsräten, Vereinspräsidenten oder Parteigremien, die ihre Hände in Unschuld waschen und demonstrativ verkünden können: Seht her, wir tun was! Hauptsache, ein neues Gesicht, das der Öffentlichkeit entgegenlächelt und die Anleger wieder beruhigt.

Offenkundig aber steigert weder eine Partei wie die SPD ihre Performance, die in 22 Jahren neun Vorsitzende verschlissen hat, noch ein Konzern wie Arcandor, der in zehn Jahren fünf Chefwechsel über sich ergehen lassen musste. Ganz im Gegenteil, beschleunigtes Auswechseln solcher Schleudersitzinhaber beschleunigt meistens nur den Niedergang. Wenig verwunderlich ist da, dass 20 Prozent der Manager unter berufsbedingten Krankheiten an Herz oder Magen leiden, mehr als doppelt so häufig wie der Bevölkerungsdurchschnitt.

Einen alles andere als kranken Eindruck machen hingegen jene "Hidden Champions", die weithin unbekannten Weltmarktführer des 21. Jahrhunderts, die der Unternehmensberater Hermann Simon auf ihre Erfolgsrezepte abgeklopft hat. Nicht 4,7 Jahre wie bei den atemlosen Aktiengesellschaften betrug da die durchschnittliche Verweildauer der Vorstände, sondern ganze 20 Jahre, in den alten, vor 1945 gegründeten Unternehmen sogar 24 Jahre. Allen voran geht die schwäbische Traditionsfirma Bosch, die in den 123 Jahren ihres Bestehens zur Zeit den sechsten Chef zählt, und der ist auch schon wieder mehr als sechs Jahre am Drücker. Beständigkeit, Kontinuität, langfristige Orientierung scheint hyperventilierender Renditejagd allemal überlegen.

Die Heilsbringer werden überschätzt

Vielleicht fällt auch gepflegte Unauffälligkeit in die Rasterfahndung nach dem Erfolg. Gut möglich, dass die Medien mit dazu beigetragen haben, die Personalisierung von Ereignissen und Entwicklungen voranzutreiben. Und ebenso gut möglich, dass die als Heilsbringer erwarteten Zugpferde in ihren Spitzenämtern - überschätzt, überfordert, überrumpelt - über kurz oder lang nicht Heil, sondern Unheil anrichten.

Dann vielleicht einfach mal ganz wegbleiben? So wie jener Chef der Trainerfirma Cocomin, der sein Vertrauen zu seinen Mitarbeitern auf die Probe stellte und sich hundert Tage lang auf eine Weltreise begab - ohne jeglichen Kontakt zu seinen Leuten. Die, plötzlich in die Eigenverantwortung geworfen, brachten die Firma währenddessen derart auf Vordermann, dass nun schon von Umsatzverdoppelung die Rede ist. Der Chef gab sich anfangs etwas indigniert, hat sich aber mit dem Ergebnis des Experiments arrangiert. Jetzt arbeitet er weniger, denkt aber mehr nach. Zur Nachahmung empfohlen. Dagmar Deckstein

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