Führungsspitzen:Die Bossinnen der Bosse

Was soll die Diskussion um die Frauenquote? In Deutschlands Chefetagen haben längst kompetente Damen das Sagen: Chefsekretärinnen lenken und leiten - und kennen jede Menge pikante Details aus den Führungsetagen.

Dagmar Deckstein

So, so, es gibt also nach wie vor zu wenige Frauen in den obersten Führungsetagen der Unternehmen, vor allem im notorisch rückständigen und rollenbildfixierten Deutschland. Also ringen Politik und Wirtschaft wieder mal vehement um die Frage, ob es mit Appellen, Stufenplänen und freiwilligen Selbstverpflichtungen getan ist, oder ob man nicht endlich mit dem Quotenknüppel auf Vorstandstische und zwischen die Tafelrunden der Aufsichtsräte hauen müsste.

Sekretärin, Chefsekretärin

Rechte Hand, linke Hand, Animateurin und Therapeutin in einer Person: Chefsekretärinnen.

(Foto: iStock)

Warum eigentlich? Wo ist das Problem? Bei Lichte betrachtet wimmelt es in deutschen Chefetagen nur so von bestqualifizierten Frauen aller Altersklassen, Haar- und Hautschattierungen, dass es den Diversity-Beauftragten die reine Freude sein muss. Nur die wenigsten sehen und hören sie, und bei Treffen namhafter Wirtschaftsführer stehen diese Frauen auch nicht vor den Kameras. Längst aber haben sie dafür gesorgt, dass diejenigen, die dort posieren, unter ihrer Führung gut vorbereitet und angezogen erscheinen. Das wollte und konnte bisher nur niemand so genau wissen.

Bis Katharina Münk auf der Bildfläche erschien, wenn auch nie persönlich, sondern nur durch ihre Bücher. Die Endvierzigerin ist bereits im neunten Vorstandsbüro ihrer langen Karriere tätig und gewährt aus durchsichtigen Gründen unter Pseudonym Einblicke in die Biotope der Topetagen, die dem Leser zuweilen den Atem stocken lassen.

Da begegnen wir ungezogenen Buben, die mit drei Keksen im Mund Briefe diktieren, schon mal aus Daffke mit einem Revolver herumfuchteln oder ihre vermeintliche Leibeigene von nebenan mit der Einkaufsliste für die privaten Weihnachtsgeschenke in Marsch setzen. Wie Frau angesichts solcher Chefallüren manchmal nur mühsam die Contenance zu bewahren weiß, darüber bietet Münks vielsagender Titel "Und morgen bringe ich ihn um" reichlich Aufklärung.

Jetzt ist ihr neuestes Buch "Denn sie wissen nicht, was wir tun" erschienen, das verfestigt entschieden den Verdacht, dass es tatsächlich jene heimlichen Herrscherinnen sind, die die Geschicke eines Unternehmens lenken, auch wenn nach außen natürlich systematisch der gegenteilige Eindruck vermittelt werden soll. Aber zwischen dem Titelträger Führungskraft und der Ausführenden all dessen, was täglich und dringend anliegt, muss gründlich unterschieden werden.

Punchingball und Coach in einer Person

Die Bossinnen der Bosse, inzwischen nicht selten Akademikerinnen, "glätten unauffällig und selbstlos die Schwächen jener Männer, die gerade so durchs Studium gekommen sind, aber eben BWL statt Kunstgeschichte studiert haben". Wer den Terminkalender führt, führt ohnehin die Regie über Prioritäten und Arbeitsinhalte. Wer feststellt, welche orthographischen Mühen die großen Jungs mit dem noch größeren Selbstbild das Verfassen längerer Schriftstücke kostet, könnte sie sowieso gleich selbst schreiben, statt hinterher Form und Inhalt zu polieren.

Wer in dieser Zwei-Personen-Combo maßgeblich dafür sorgt, dass das Vorstandsbüro nicht zum Tollhaus wird, und wer die Höhenflüge des Chefs umsichtig lenkt, der - oder vielmehr die - lenkt ohnehin den ganzen Laden: "Rechte Hand, linke Hand, lebender Palm Pilot, Coach und Punchingball, Hausdame und Animateur, Therapeutin, Statussymbol, Burgfräulein und beinharte Wächterin in Personalunion". Abgesehen davon, dass das kein Mann schaffte, Münks Miniaturen der Macht machen klar, wer sie wirklich ausübt.

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