Führungsspitzen:Chefposten: Schauspieler bevorzugt

Ein guter Vorgesetzter soll authentisch sein, aber bitte nicht zu sehr. Wir wollen den Menschen erkennen, aber zum Chef aufschauen. Diese Rolle erfordert gewisse Schauspielkenntnisse.

Alexandra Borchardt

Als Ronald Reagan, einst ein kleines Licht in Hollywood, 1979 mit Jimmy Carter um das Amt des amerikanischen Präsidenten rang, stieß sich die deutsche Intelligenz halb belustigt, halb schaudernd in die Rippen. Dass ein Schauspieler Staatsmann werden wollte, fand man empörend, aber auch passend für den aggregierten Intellekt eines Volkes, das nach hiesiger Lesart zwar Rock'n'Roll und Coca-Cola hervorgebracht hat, aber ansonsten ziemlich von der Geisteskraft der dorthin vertriebenen Europäer profitiert.

'California Hall of Fame' ceremony

Schauspielfähigkeiten vorhanden: Arnold Schwarzenegger ist der Beweis - wer schauspielen kann, hat auch das Zeug zum Leader.

(Foto: dpa)

Viele Abrüstungsabkommen und einen österreichischen Action-Darsteller-Gouverneur später ist der Schauspieler in der Politik dagegen so angekommen wie Karl Theodor zu Guttenberg nebst Gattin vergangene Woche in Afghanistan: Man empört sich ein bisschen über die Inszenierung, rechnet kurz nach, wer alles bezahlt hat, und geht dann direkt über zur Theaterkritik: Passt er in die Rolle und die Rolle zu ihm, wie gut hat er deklamiert, wie ist er beim Publikum angekommen? Hat das Stück der Welt irgendetwas zu sagen?

Solche Fragen treffen den Schauspieler-Kandidaten ebenso wie den Laiendarsteller-Kandidaten. Und sie treffen ihn in Wirtschaft und Politik gleichermaßen. Denn jeder, der eine Führungsposition übernimmt, wird damit auch ein wenig zum Schauspieler.

Mal im Ernst: Wer will ihn denn täglich haben, den echten Menschen im Chef? Den Grantler mit Schlafdefizit, der morgens schweigt und mittags bellt, den Berlusconi-Möchtegern, der statt Lagebesprechungen Gelage pflegt, über die man lieber nicht sprechen möchte. Den Delegier-König, der dem Ausspannen frönt und seinen Zweitwohnsitz öfter sieht als sein Erstbüro. Authentisch sei ja im Prinzip okay, sagen die Mitarbeiter dann, aber so authentisch müsse er nun doch wieder nicht sein, der Vorgesetzte.

Wobei auch das Modell versierter Schauspieler Alarm auslösen kann. Beweist der Chef im Folienvortrag auf der Betriebsversammlung Zahlenkompetenz, flüstert es ab der dritten Reihe, den habe ihm ohnehin der Müller vorbereitet. Spricht er von "schweren Zeiten, in denen wir alle zusammenstehen müssen", wird mit Verweis auf seine Villa in Frankreich über das Bordeaux-Opfer gelästert. Marschiert er allzu oft durch die Fabrikhalle und schüttelt dabei Bandarbeiter-Hände, wähnt manch einer das nächste Sparprogramm schon in Vorbereitung. Alles nur gespielt, heißt es dann. Der Grat zwischen dem Menschen und dem Schauspieler ist schmal.

Wägt der Mitarbeiter das Für und Wider, favorisiert er aber dann meist doch den Chef, der trotz durchwachter Nacht ein fröhliches "Guten Morgen" schmettert. Der die Mannschaft mit einer "Sein oder Nichtsein"-Rede anfeuert. Der beim One-on-One zustimmend nickt und auch mal nachfragt, selbst wenn die Sekretärin ihm hinterher den Namen des Besuchers geben muss. Und der vor dem Abteilungstreffen das Skript studiert, und deshalb all jene Schlüsselwörter auszustoßen vermag, die seine Mitarbeiter glauben lassen, er habe sie dieses Mal wirklich verstanden.

Ein guter Schauspieler bewegt sein Publikum. Als Mensch erspürt er dessen Sehnsüchte, den Menschen in sich behält er für sich. Ein guter Chef ist nahbarer, aber Schauspieler-Qualitäten schmücken ihn. Dazu gehört die Demut zu begreifen, dass ihm letztlich nur eine Rolle verliehen ist.

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