Führungsspitzen:Botschaft aus dem Morgenland

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Heute quält sich der Aufsichtsrat damit, wie er mehr Farbe in den Vorstand bringt. Vielfalt statt Einfalt - das zeichnet erfolgreiche Führungsteams aus.

A. Borchardt

In nicht allzu fernen Zeiten wird derjenige, der auf die Frage: "Welcher Tag ist heute?" nur mit "Montag" antwortet, ziemlich blamiert dastehen. Wohl dem, der dann mit "Weltwassertag", "Weltspartag" oder vielleicht auch "Weltduschtag" parieren kann. Reichten einst noch zehn Gebote aus, um den Menschen alles Wichtige beizubiegen, scheinen in unserer komplexen Welt 365 Möglichkeiten gerade ausreichend zu sein, um alle Messages rüberzubringen.

Die Heiligen drei Könige: Caspar fungiert als Schatzmeister, Balthasar ist Marketingchef und Melchior bekommt den Vorstandsvorsitz. (Foto: Foto: dpa)

Vermutlich laufen auch schon die Vorbereitungen für einen Welt-Vielfalt-in-der-Chefetage-Tag, der Welt-Diversity-Tag heißen wird. Da allerdings kann der Bayer mit einem "Haben wir schon längst!" Einhalt gebieten. Immerhin wird an diesem Dienstag im Süden der Republik der Dreikönigstag gefeiert. Und die drei Weisen könnten durchaus als erstes nach Herkunftsparität besetztes Vorstandsgremium durchgehen. Ist doch in diversen Interpretationen der biblischen Geschichte überliefert, dass Caspar, Melchior und Balthasar aus Europa, Asien und Afrika angereist waren, um dem Jesuskind gewissermaßen einen Kundenbesuch abzustatten.

Caspar ist Finanzvorstand

Der Name Caspar ist demnach vom persischen "Schatzmeister" abgeleitet; er dürfte deshalb als Finanzvorstand fungiert haben. Balthasar könnte als Marketingchef durchgehen, denn er brachte wohl den Weihrauch - geeignet dazu, dem Beschenkten die Sinne zu vernebeln. Für den Vorstandsvorsitz bliebe Melchior übrig, was als "König des Lichts" übersetzt wird und dem Selbstbild vieler Firmenlenker entspricht.

Heute nun quält sich vor allem in Deutschland so mancher Aufsichtsrat damit, wie er mehr Farbe in seinen Vorstand bringen könnte. Okay, statt die Farben der Reisepässe zu vermehren, die die Erwählten mitführen, tut es dieser Tage auch die Berufung einer Frau, was selbst den Heiligen Drei Königen nicht eingefallen wäre. Vorausgesetzt, der Lebenslauf der Berufenen ist so lang wie jener der neuen Siemens-Vorständin Barbara Kux, mit dem sich die Autobahn zwischen München und Erlangen tapezieren ließe. In Amerika ist man mit der Diversity schon weiter.

Wobei die Frage offen bleibt, ob damit automatisch Vielfalt herrscht. Lesen sich doch die Lebensläufe vieler Top-Leute so, als hätte man die ihrer Kollegen durch den Kopierer gejagt: MBA in Harvard & Co. - Berater bei XY-Consulting - Chef der Strategie-/M&A-/Marketing-Abteilung - Vorstand. Selbst Personalberater stöhnen, dass die Ausbildung potentiellen Spitzenpersonals immer besser, die Karrieren aber immer gleichförmiger würden.

Allzeit mobile, top-ausgebildete Führungskräfte

So hat ganz oben niemand mehr eine Chance, der sich "nur" mit Lehre in der Firma bergauf arbeitet, selten punktet jemand, der sich als Unternehmer bewiesen hat, und nur wenige Firmen leisten sich Philosophen oder Historiker auf den Schleudersitzen der Macht. Der Soziologe Ralf Dahrendorf spricht von einer "globalen Klasse" allzeit mobiler, top-ausgebildeter Führungskräfte, die die Bodenhaftung längst verloren hat.

Dabei ist Vielfalt tatsächlich das Geheimnis von Spitzenteams - vor allem jedoch, was die Fähigkeiten angeht. Richtig produktiv wird es dort, wo sich Visionär, Zahlenfreak, Techniker und Menschenfänger finden und vertragen. Die drei Weisen hatten übrigens auch Kamele dabei. Mindestens da kann so mancher Vorstand dieser Tage schon mithalten.

© SZ vom 5.1.2009/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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