Frauenquote:In den Aufsichtsräten wirkt die Quote

Frauenquote: Thema Frauenquote: In den deutschen Vorstandsetagen hat sich wenig bis gar nichts getan.

Thema Frauenquote: In den deutschen Vorstandsetagen hat sich wenig bis gar nichts getan.

(Foto: Benjamin Child / Unsplash)

Deutsche Unternehmen besetzen ihre Kontrollgremien häufiger mit Frauen als früher - weil sie es müssen. Bei Vorständen sieht es düster aus.

Von Henrike Roßbach, Berlin, und Larissa Holzki

Ohne Geschlechterquote werden die Führungsgremien deutscher Unternehmen kaum weiblicher. Das belegt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. "Zwei Jahre nach Einführung der Geschlechterquote für Aufsichtsräte ergibt sich ein relativ klares Bild: Sie greift, wie in anderen europäischen Ländern auch", sagte Elke Holst, Forschungsdirektorin des DIW. "Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ohne Druck und drohende Sanktionen offensichtlich fast nichts vorangeht." Das zeige der Blick auf die Entwicklung in den Vorständen.

Seit zwei Jahren sind gut hundert Unternehmen dazu verpflichtet, frei werdende Aufsichtsratsposten so lange mit Frauen zu besetzen, bis 30 Prozent des Gremiums weiblich sind. Betroffen sind börsennotierte und zugleich voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen - sie haben in der Regel mehr als 2000 Beschäftigte und einen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite paritätisch besetzten Aufsichtsrat. Im Schnitt haben diese Unternehmen ihre Pflicht nun schon erfüllt: Der Frauenanteil in ihren Aufsichtsräten stieg von 27,4 Prozent in 2016 auf 30,1 Prozent in 2017. Der positive Trend könnte sich fortsetzen, weil einige Firmen die gesetzliche Vorgabe übererfüllen, andere hingegen noch nachziehen müssen.

Ganz anders sieht es bei den Vorständen aus: Kein Zwang, keine Bewegung, was den Frauenanteil angeht. Nur etwas mehr als acht Prozent der Vorstandsposten in den 200 größten Firmen waren 2017 in Frauenhand - genauso wenige wie ein Jahr zuvor. Und unter den Vorstandsvorsitzenden finden sich sogar nur 3,4 Prozent Frauen. "Frauen sind, wenn es um Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft geht, immer noch krass benachteiligt", sagt Bundesfamilienministern Katarina Barley zu den Ergebnissen. Sie erwarte, dass die Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden.

Doch Kritik an der vermeintlichen Bevorzugung von Männern weisen Unternehmen häufig zurück. Aus ihrer Sicht gibt es schlicht nicht genügend Frauen, die für die höchsten Führungsebenen qualifiziert sind. "Vorstände großer Unternehmen müssen jahrelang 500 oder 1000 Mitarbeiter geführt haben, internationale Erfahrung und interkulturelle Kompetenz mitbringen", sagt Frank Beyer, der als Personalberater von LAB & Company Kandidaten für solche Posten sucht.

Frauen mit Vorstandsprofil sind knapp

Ein annähernd ausgeglichenes Geschlechterverhältnis sei momentan selbst mit Quote nicht möglich, sagt Beyer - zu wenige Frauen könnten einen solchen Lebenslauf vorweisen. Auch die Führungsebenen unterhalb der Spitze sind vor allem mit Männern besetzt. "Da müssen gesellschaftlich erst mal die Voraussetzungen geschaffen werden, unter denen Frauen den gleichen Werdegang zum Vorstand nehmen können wie Männer." Noch immer begründen Beyers Wunschkandidatinnen ihre Absagen häufiger als Männer damit, dass beispielsweise Umzüge und Pendeln mit ihrem Familienmodell nicht vereinbar seien. Trotz allem: Ein Frauenanteil von 15 bis 20 Prozent sollte aus Sicht des Personalsuchers auch unter den aktuellen Bedingungen erreichbar sein.

Die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat sind leichter zu erwerben. "Sie müssen verstehen, was das Unternehmen strategisch erreichen will, die Bilanzen einordnen können, um schließlich zu beurteilen, wie der Vorstand arbeitet", sagt Beyer. Es gehe nicht um das Detailverständnis, sondern vor allem um das gezielte Nachfragen. Und das könnten Frauen nach seiner Erfahrung sogar besser: "Männer sind oft zu stolz, Unwissen zu zeigen, Frauen sind unprätentiöser, die möchten das einfach verstehen."

Schlechte Aussichten für Frauen in der Finanzbranche

Das erklärt auch den zumindest leichten Trend zu mehr Frauen in den Kontrollgremien der 200 umsatzstärksten Unternehmen, von denen nur gut ein Viertel der Quotenpflicht unterliegt. Dort ist der Frauenanteil ohne äußeren Zwang im vergangenen Jahr um zwei Prozentpunkte auf 24,6 Prozent gestiegen. Während Aufsichtsrätinnen in der Vergangenheit fast ausschließlich die Arbeitnehmer vertreten haben, werden sie zunehmend auch von den Anteilseignern bestellt.

Auf das operative Geschäft wirkt sich das aber nicht aus. Nur jedes dritte dieser Unternehmen hat mindestens eine Frau im Vorstand - immerhin, muss man wohl sagen: 2006 waren noch mehr als 95 Prozent der Vorstände hierzulande frauenfreie Zonen.

Die höchsten Frauenquoten in der Privatwirtschaft erreicht die Gruppe der DAX-30-Konzerne: Sie kommen auf 13 Prozent Vorstandsfrauen und ein Drittel weibliche Aufsichtsratsmitglieder. Noch mehr Frauen sitzen nur in Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist, in den Vorständen: knapp 18 Prozent. Allerdings, schreiben die Autorinnen der DIW-Studie, ließen sich diese öffentlichen Unternehmen nur begrenzt mit den privaten vergleichen, schon wegen ihrer in der Regel geringeren Größe.

Schlechte Karriereaussichten bietet hingegen der Finanzsektor, also Banken und Versicherungen, den Frauen. Er wurde in der DIW-Studie separat untersucht. Zwar sei mehr als jeder zweite Beschäftigte im Finanzsektor eine Frau, heißt es in dem DIW-Bericht. Zugleich sei es in keiner anderen Branche für Frauen aber "so unwahrscheinlich, eine Position in der ersten oder zweiten Führungsebene zu erlangen wie im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen".

Die 100 größten Banken hatten nur 23 Prozent Frauen in ihren Kontrollgremien und neun Prozent in ihren Vorständen - und das ist in beiden Fällen schon ein leichtes Plus gegenüber dem Vorjahr. In den 60 größten Versicherungen ging der ohnehin geringe Frauenanteil sogar noch zurück: auf neun Prozent in den Vorständen und knapp 22 Prozent in den Aufsichtsräten.

Unternehmen müssen Kandidatinnen fördern

Grundsätzlich sollten die Unternehmen "im eigenen Interesse zügig einen Pool geeigneter Kandidatinnen auf- und ausbauen", sagt DIW-Expertin Holst. Anderenfalls müsse die Politik über eine Verschärfung der Regeln nachdenken.

Vor allem für den Aufsichtsrat hat Frank Beyer Ideen, wie dieses Ziel umzusetzen wäre. "Man muss heute nicht mehr 20 Jahre Führungskraft im Industriesektor gewesen sein, um erfolgreich als Aufsichtsrat zu arbeiten", sagt er. Wer eine betriebs- und volkswirtschaftliche Ausbildung oder eine technische Ausbildung mit betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen besitze, könne sich in die Themen hineinarbeiten. Um diese noch unerfahrenen Kandidaten und Kandidatinnen mit den Aufgaben des Kontrollorgans vertraut zu machen, schlägt er vor, ein Stellvertretergremium einzurichten. "Dort könnten sie eine Traineezeit durchlaufen", sagt Beyer.

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