Frauenquote in Unternehmen:Gesucht: 171 Frauen

Frauenquote Gleichberechtigung

Für Unternehmen könnte es unangenehme Folgen haben, wenn sie die Frauen-Quote verfehlen.

(Foto: Oliver Berg/dpa)
  • Die gesetzlich festgelegte Frauenquote schreibt vor, dass 30 Prozent der Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen mit voller Mitbestimmung ab 2016 Frauen sein müssen.
  • Von der Quote sind derzeit 105 Betriebe erfasst, von denen nur 22 die Vorgabe erreichen - darunter Allianz, Deutsche Bank, Telekom und Siemens.
  • Laut einer Studie fehlen aber derzeit in den Aufsichtsräten der betroffenen Firmen noch mehr als 170 Frauen.

Von Alexander Hagelüken

Seit Jahren wird in Deutschland über gesetzliche Frauenquoten gestritten. Sechs Monate bevor für mehr als hundert Unternehmen erstmals eine feste Quote in Aufsichtsräten gilt, zeigt sich: Die Debatte ist an vielen Aktiengesellschaften vorbeigegangen. Fast 80 Prozent der betroffenen Unternehmen verfehlt bisher die Vorgabe, 30 Prozent der Aufsichtsmandate an Frauen zu vergeben.

"Das ist eine traurige Bilanz", sagt Marion Weckes, die die Lage für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung untersucht hat. Weil die meisten Unternehmen ihre Hauptversammlung und die Wahl der Aufsichtsräte in diesem Jahr bereits hinter sich haben, rechnet sie damit, dass bis 2016 kaum weitere Firmen die Quote erreichen.

Das neue Gesetz schreibt vor, dass börsennotierte Unternehmen mit voller Mitbestimmung bei den Aufsichtsratswahlen von 2016 an die 30 Prozent erreichen sollen. Ist das nicht der Fall, gelten die Stühle als leer, die nicht bis zu diesem Anteil mit Frauen besetzt sind. Hat eine Firma zum Beispiel 20 Plätze in dem Gremium und nur zwei Frauen, müssten vier Stühle leer bleiben. (Besteht der Rat aus lauter Frauen, gilt die Regel zugunsten von Männern.) "Besetzt eine Firma einen frei werdenden Platz mit einem Mann, obwohl sie die 30 Prozent nicht erfüllt, können Beschlüsse des Aufsichtsrats gerichtlich angefochten werden", warnt Marion Weckes.

Von der Quote sind derzeit 105 Betriebe erfasst, von denen nur 22 die Vorgabe erreichen - darunter Allianz, Deutsche Bank, Telekom und Siemens. Insgesamt fehlen in den Aufsichtsräten derzeit 171 Frauen. "In den vergangenen Jahren ist der Frauenanteil in Führungsgremien kaum gestiegen, obwohl sich die Wirtschaft bereits vor 15 Jahren verpflichtet hatte, für eine Gleichstellung zu sorgen", sagt Weckes.

Aufschlussreich ist, dass die Hälfte der 22 Unternehmen die Quote nur erreicht, weil ein hoher Frauenanteil bei den Arbeitnehmerplätzen im Aufsichtsrat das Defizit der Kapitalseite ausgleicht. Das könnte für Auseinandersetzungen sorgen. Denn eine Mehrheit der Arbeitnehmer-Räte kann verlangen, dass die Quote nur als erfüllt gilt, wenn es auch 30 Frauen auf der Seite der Anteilseigner gibt. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich die von den großen Gewerkschaften entsandten Arbeitnehmer-Räte verhalten. "Die 30-Prozent-Vorgabe für den Aufsichtsrat insgesamt reicht nicht", erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Elke Hannack: "Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbänke müssen getrennt betrachtet werden."

Fresenius und Porsche haben keine einzige Aufsichtsrätin

Die Studie listet eine Reihe von Unternehmen auf, die besonders wenig Frauen in ihrem Kontrollgremium haben: Fresenius und Porsche haben keine einzige Aufsichtsrätin. Bei Wüstenrot und Württembergische fehlen zur Quote fünf Frauen. Audi, MVV Energie und HSBC Trinkaus&Burkhardt haben auf der Kapitalseite keine einzige Aufsichtsrätin, Hochtief und K&S auf der Arbeitnehmerseite.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände kritisiert die Studie: "Das Gesetz ist erst vor zwei Monaten in Kraft getreten", erklärt ein Sprecher. "Es ist viel zu früh, um eine Bilanz zu ziehen, ob es den Unternehmen bis Januar 2016 gelingen wird, bei Neuwahlen ausreichend geeignete weibliche Kandidaten zu finden." Gerade in Branchen mit einem Frauenanteil in der Gesamtbelegschaft von unter 30 Prozent sei dies schwierig.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert dagegen Veränderungen: "Wenn das Teilhabe-Gesetz kein zahnloser Tiger werden soll, brauchen wir Korrekturen", sagt die Vize-Vorsitzende Hannack. Klare Fristen und Sanktionen seien unabdingbar. Die Gewerkschafterin beklagt, dass für ein Großteil der Firmen keine feste Quote gilt, sondern sie sich nur freiwillige Ziele geben müssen. "Wir brauchen für alle Unternehmen und für alle Hierarchieebenen verpflichtende Pläne mit verbindlichen Ziel- und Zeitvorgaben zur Gleichstellung von Frauen."

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