Frauen:Mit Macht zur Macht

Wieviele Frauen es in die Führungsetagen schaffen, hängt wesentlich von der Kinderbetreuung ab.

Cathrin Kahlweit

(SZ vom 8.3.2002) Die obligatorische Pressemitteilung enthält, wenn auch versteckt, in diesem Jahr eine Drohung. Pünktlich zum Internationalen Frauentag am 8. März wendet sich die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) an die deutsche Wirtschaft - und erinnert an ein Versprechen.

Mutter

Mutter mit Kind auf einem Parteitag

Unternehmerverbände hatten mit der Bundesregierung eine freiwillige Vereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen im Beruf getroffen, um damit ein entsprechendes Gesetz zu verhindern. Sollte diese Selbstverpflichtung bis Ende 2003 keine befriedigende Bilanz zeitigen, schreibt nun ASF-Chefin Karin Junker, werde die SPD "endgültig ein verpflichtendes Gesetz durchsetzen".

Ob das hilft? Nach wie vor gibt es unter deutschen Top-Managern nur fünf Prozent Frauen, nur sechs Prozent aller Lehrstühle an Universitäten sind mit einer Professorin besetzt. In deutschen Parlamenten hat die Quote immerhin zu einem weiblichen Anteil von etwa einem Drittel geführt. Dass zu wenig Frauen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik das Sagen haben, gilt - zumal an Mahn- und Gedenktagen wie dem heutigen - als ausgemachte Sache.

Weiche Quoten

Die wissenschaftliche Literatur zum Thema hat fast schon Beschwörungscharakter angenommen: Frauen seien die besseren Bosse, heißt es da, weibliche Qualitäten, so genannte "soft skills", seien Führungsqualitäten, Wirtschaft und Wissenschaft könnten auf das qualifizierte, motivierte Potenzial weiblicher Arbeitskräfte gar nicht mehr verzichten.

Einige wenige Firmen haben sich das, mehr oder minder, zu Herzen genommen: Daimler-Chrysler zum Beispiel hat sich selbst eine "weiche" Quote, also einen Richtwert für Frauen in Führungspositionen verordnet. Shell will bis zum Jahr 2003 im oberen Management 20 Prozent Frauen vorweisen können. Deutsche Bank und Commerzbank, Lufthansa und Telekom, Procter & Gamble sowie Bosch haben ein firmenübergreifendes Mentoring-Programm organisiert, mit dem die Möglichkeiten für mehr Frauenpower durchleuchtet werden sollen.

Machtfrage

Aber: Jene Frauen, die es der gelebten Ungleichheit in deutschen Chefetagen zum Trotz nach oben geschafft haben, setzen überraschende Prioritäten. Sie wollen keine Quote, keine Zwänge. Und sie sagen: Meinen Weg habe ich nicht mit weiblichen Charaktereigenschaften wie sozialer oder kommunikativer Kompetenz geschafft. Sondern indem ich mir mit den Mitteln der Männer die Macht erkämpft habe.

Dies sind zwei der Ergebnisse einer Studie zum Thema "Frauen und Macht", welche die Frankfurter Unternehmensberatung Accenture vergangene Woche auf einem hochkarätig besetzten Kongress in Berlin mit dem Titel "World, Women, Work" vorgelegt hat.

83 Top-Managerinnen, C4- Professorinnen und erfolgreiche Politikerinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben Auskunft gegeben: Wie haben sie Karriere gemacht? Was hat sie behindert? Und was müsste sich grundlegend ändern, damit die Zahl von Frauen in den Chefetagen steigt?

Interessant ist dabei ein scheinbarer Widerspruch: Frauen streben in ihrer Mehrheit nicht nach oben, weil sie Lust auf Macht haben. Sie wollen etwas "Sinnvolles tun", "interessante Arbeit" leisten, sich auszeichnen in ihrem Beruf. Um dies zu erreichen, setzen sie allerdings nach eigener Ansicht Eigenschaften ein, die gewöhnlich Männern zugerechnet werden: Durchsetzungskraft, Konfliktfähigkeit und strategische Fähigkeiten - und nicht etwa "soft skills" wie Einfühlungsvermögen oder Mannschaftsgeist. Führungsfrauen würden durch "weibliche Ziele" motiviert, lautet deshalb ein Ergebnis der Studie, sähen aber den Einsatz männlicher Eigenschaften als unumgänglich an.

Männer an den Herd

Erschwert wurde der Aufstieg nach Auskunft der befragten Vorstandsvorsitzenden, Geschäftsführerinnen, Ministerinnen und Professorinnen allerdings durch die "männerdominierte Kultur" am Arbeitsplatz - und einen Mangel an Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Immerhin: Zwei Drittel der Befragten sind verheiratet, knapp die Hälfte hat Kinder.

Das Klischee von der allein stehenden, kinderlosen weiblichen Topkraft hat ausgedient.

Dementsprechend fordern auch nur wenige der Befragten Frauenquoten oder Zielvereinbarungen in den Betrieben zur Förderung von Frauen. Nur ein Drittel sieht einen Sinn in der Verbesserung von Bildungschancen von Frauen (immerhin studieren schon jetzt in Deutschland mehr Frauen als Männer), und nur knapp die Hälfte fordert mehr staatliche Anreize für frauenfreundliche Betriebe. "Ganztätige Kindertagesstätten" sind es, wonach die Frauen in dieser Studie rufen, und eine "stärkere Einbindung von Männern in Familie und Erziehung".

Schlusslicht Deutschland

Auch im europäischen Vergleich haben die Autorinnen der Studie, Svenja Falk und Sonja Fink, Interessantes zu Tage gefördert: Dort, wo die Geburtenrate hoch ist, ist auch die Rate von Frauen in Führungsfunktionen hoch; die Verbindung von Kind und Karriere ist also möglich.

Erschwert wird die Entscheidung vor allem in Ländern, in denen es für Kinder keine Infrastruktur gibt. Wohl auch deshalb kann Frankreich eine Geburtenrate von durchschnittlich 1,7 Kindern vorweisen (in Deutschland sind es 1,4), gleichzeitig finden sich in Frankreichs Chefetagen 35 Prozent Frauen.

Aus Anlass des Internationalen Frauentags - und im Vorgriff auf den Bundestagswahlkampf - fordern Regierung, Opposition und Gewerkschaften im Chor mehr Ganztagsschulen und Horte. Derweil dies der Umsetzung harrt, bleibt nur der Ratschlag der französischen Schriftstellerin Colette, der auch die Untersuchung über "Frauen und Macht" ziert: "Realität ist etwas, worüber man sich erhebt."

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