Frauen in Spitzenpositionen:"Gleichbehandlung ist nicht immer gerecht"

In der Hightech-Branche gibt es noch weniger Frauen in den Chefetagen als in der gesamten Wirtschaft. Das liegt nicht nur an den Unternehmen. Doch müssen Frauen immer laut "Hier!" schreien, um sich gegen männliche Konkurrenten zu behaupten? Konzerne suchen nach anderen Lösungen.

Marlene Weiss

Sicher, vieles ändert sich von allein, wenn es um Frauen in Führungspositionen geht. Man muss nur Geduld haben. 240 Jahre hätte es bei der Deutschen Telekom gedauert, um beim Tempo der vergangenen Jahre einen Frauenanteil von 30 Prozent in der Chefetage zu erreichen, sagt Mechthilde Maier.

Jahreswechsel  - Frauenquote

Frauen an der Spitze: Wie viele Frauen in Konzernen in die Chefetage gelangen, ist nicht nur eine Frage der Unternehmenskultur. Auch das gesellschaftliche Umfeld spielt eine Rolle - und natürlich das Selbstbild der Frauen.

(Foto: dpa)

So lange wollte die Leiterin für Fragen der Gleichbehandlung bei der Telekom nicht warten, und ihre Kollegen wollten es auch nicht. Und so führte der Konzern im März 2010 als erstes Dax-Unternehmen eine verbindliche Frauenquote ein.

Auch wenn das Beispiel bislang nicht Schule gemacht hat: Kaum ein großes Unternehmen würde noch zugeben, sich nicht um mehr Führungsfrauen zu bemühen. So fand auch pünktlich zum Start des diesjährigen IT-Gipfels ein Vortragsnachmittag samt Podiumsdiskussion über Frauen in der ITK-Branche statt.

Die Zahlen zumindest zeigen, dass Geschlechtergleichheit in der Wirtschaft noch Zeit braucht: Unter etwa 190 Dax-Vorständen sind derzeit sechs Frauen - oder gut drei Prozent. Und das ist ein enormer Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung. Von 2008 bis 2010 war Barbara Kux bei Siemens die einzige Dax-Vorstandsfrau; alle anderen Frauen sind erst in den vergangenen beiden Jahren hinzugekommen.

Aber mit solchen Erfolgen wollten sich die Frauen auf dem Bitkom-Podium nicht zufriedengeben, zumal die IT-Branche insgesamt noch etwas schlechter abschneidet als die Gesamtwirtschaft: Weniger als drei Prozent Frauen gibt es im Topmanagement der deutschen IT-Unternehmen laut Bitkom. Im mittleren Management sieht es mit 4,4 Prozent nicht viel besser aus.

Mangel an Führungsfrauen - auch ein gesellschaftliches Problem

Nach den Erfahrungen der Frauen auf dem Bitkom-Podium hat dieser Zustand mehrere Ursachen. Somit gibt es mehrere Strategien zu seiner Bekämpfung. "Es ist nicht nur eine Frage der Unternehmenskultur, wir haben hier auch ein gesellschaftliches Problem", sagt Eva Faenger, zuständig für Gleichstellungsfragen bei Hewlett-Packard.

Das ist offenbar hierzulande besonders ausgeprägt: Weltweit habe Hewlett-Packard einen Frauenanteil von mehr als 30 Prozent in Führungspositionen, in Deutschland seien es weit weniger. Faenger fordert verbindliche Ziele, ob mit oder ohne Quote - allerdings sollten sich die Frauen ebenfalls über Ziele klar werden. "Manche Frau möchte wachgeküsst werden", sagt auch Mechthilde Maier von der Telekom.

Für sie heißt das aber nicht, dass Frauen künftig so laut "Hier!" schreien müssen wie ihre männlichen Kollegen. Bei der Telekom habe man stattdessen die Besetzungsprozesse verändert. Etwa reichten Männern zehn Minuten Gespräch, um ihre Stärken zu präsentieren, Frauen brauchten länger. Die Konsequenz? "Gleichbehandlung ist nicht immer gerecht", sagt Maier und plädiert für "Ungleichbehandlung zu gleichen Chancen".

Monika Maurer, Führungskraft bei Alcatel-Lucent in Deutschland, sieht es ähnlich: "Man sollte sich der Unterschiede bewusst sein und im Bewerbungsgespräch darauf eingehen", sagt sie. Und natürlich kommt auch der Mangel an weiblichen Absolventen in den ITK-Fächern zur Sprache - etwa 20 Prozent in Ingenieurwissenschaften und Informatik -, ebenso wie Probleme mit der Kinderbetreuung. Aber nichts davon kann allein die Ungleichheit erklären.

Susanne Fettig, bei Nokia-Siemens-Networks für das Geschäft mit der Telekom verantwortlich, ist trotz allem zuversichtlich. "Vielen Frauen fehlt nur ein kleiner Tick", sagt sie. "Die Welle wird kommen."

So optimistisch ist Mechthilde Maier von der Telekom nicht. Erst mit der Quote sei dort der Frauenanteil im mittleren und oberen Management von 19 auf 23 Prozent gestiegen. Frauen zögen weiterhin eher mit dem Partner um oder steckten für die Pflege eines Angehörigen zurück. Junge Frauen sähen sogar die Ehe wieder als Versorgungsmodell an, "das ist eine Katastrophe bei den Scheidungsraten". Die Quittung komme bei der Rente.

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