Frauen in Führungspositionen:Über freiwillige Frauenförderung lachen die Unternehmer

Symbolbild - Managerin

Wenn sich die Entwicklung fortsetzt, werden erst in 40 Jahren ebenso viele Frauen wie Männer in leitender Funktion tätig sein.

(Foto: dpa)

Deswegen wird es noch 40 Jahre dauern, bis Frauen die Hälfte der Spitzenkräfte stellen. Das muss Deutschland vor ganz Europa peinlich sein.

Kommentar von Constanze von Bullion

Die gute Nachricht zuerst: Doch, es gibt Hoffnung, dass Frauen bei der Führung deutscher Unternehmen eines Tages so viel Verantwortung tragen, wie es ihrem Grips und ihrer Ausbildung entspricht. Die schlechte Nachricht: Dieser Tag liegt etwa im Jahr 2055, jedenfalls wenn es in Deutschland so weitergeht. Also in einer Zeit, in der die meisten Leserinnen dieses Textes im Rentenalter sind oder in die ewigen Jagdgründe eingegangen. Schönen Dank auch.

Dem Führungskräftemonitor 2017 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge, der am Dienstag vorgestellt wurde, ist der Frauenanteil in Führungspositionen deutscher Unternehmen in den vergangenen 20 Jahren durchschnittlich nur um zehn Prozentpunkte gestiegen, auf gerade mal 30 Prozent. Im Vergleich zum rasanten Bildungsanstieg der Frauen und gemessen an dem Tamtam, das die Politik gern um das Wort "Chancengleichheit" macht, ist das ein lausiger Wert.

Bis Frauen die Hälfte der Geschäftsführer oder sonstiger hoch qualifizierter und nichtselbständiger Spitzenkräfte in der Privatwirtschaft stellen, dauert es bei diesem Tempo noch 40 Jahre. Bei näherem Hinsehen wird die Sache noch trostloser. Es ist nur den Ostdeutschen zu verdanken, dass es bei weiblicher Führung überhaupt noch vorangeht. Im Osten lag der Frauenzuwachs beim Leitungspersonal zwischen 1995 und 2015 bei 19 Prozentpunkten. Im Westen waren es nur magere acht Prozentpunkte. Hier ist der Studie zufolge seit 2010 überhaupt kein nennenswerter Anstieg zu verzeichnen.

Nun kann man Frauenquoten doof und lästig finden und Frauen, die sie durchsetzen, noch lästiger. Aber das Sittenbild, dass das DIW jetzt zutage gefördert hat, ist einer führenden Industrienation nicht würdig. Im EU-Vergleich belegt Deutschland bei weiblichen Führungskräften mit Italien und dem Eiland Zypern die letzten drei Plätze. Selbst in Staaten wie der Türkei, die als Heimstatt unbekümmerter Herrenwirtschaft gelten, werden Frauen noch mehr Führungsjobs zugetraut als im Jungsklub Deutschland.

Selbstverständlich werden alle Gegner staatlicher Gleichstellungsmaßnahmen sich auf der Stelle die Ohren zuhalten, wenn sie hören, dass die nächste Bundesregierung die feste Frauenquote, die bisher nur für Aufsichtsräte gilt, auch für Vorstände einführen muss. In den 200 größten Unternehmen Deutschlands sitzen in Vorständen zu 92 Prozent Männer. Ohne Not rührt sich hier nichts, im Gegenteil.

In vielen Unternehmen macht man sich noch lustig über die freiwilligen Zielvorgaben, mit denen Firmen einen höheren Frauenanteil in Vorständen und oberstem Management anpeilen sollen. "Zielvorgabe null", antworten diese Unternehmen. Mit anderen Worten: ein andermal. Parteien, die nicht bereit sind, hier Druck auszuüben, sind für Frauen mit beruflichem Anspruch nicht wählbar.

Frauenförderung muss so wichtig werden wie Rendite

Doch mit Quoten allein ist es nicht getan. Die inakzeptable Chancenungleichheit wurzelt auch im Privaten. Nur wer nicht befürchten muss, dass daheim der Haushalt kollabiert oder das Kind in der Schule wieder eine Fünf schreibt, kann im Job gelassen Spitzenleistungen bringen. Die DIW-Studie immerhin lässt hier auf Wandel hoffen. Während nur 31 Prozent der Männer mit Führungsjobs sich die Hausarbeit mit der Partnerin paritätisch teilen, gelingt das 47 Prozent der führenden Frauen. Das weibliche Alphatier im Büro setzt sich oft also auch zu Hause stärker durch, gut so. Jede dritte weibliche Führungskraft allerdings leistet an Kinderbett und Klobürste mehr als ihr Partner - zusätzlich zum Job.

Womit sich die Frage stellt, was geschen muss, damit Frauen endlich die Privilegien genießen, die für viele Männer selbstverständlich sind: beruflich Erfolg haben zu können, den eigenen Verstand der Gesellschaft zunutze zu machen und dabei Kinder großzuziehen. Die Frage führt zurück in Deutschlands Chefetagen, wo konsequente Frauenförderung von Anfang an so wichtig werden muss wie die Rendite. Wer der eigenen Kollegin so viel Erfolg nicht gönnt oder zutraut, möge an die eigene Tochter denken.

Junge Frauen sind heute immer seltener bereit, ihre oft erstklassige Ausbildung beim ersten Kind im Windeleimer zu versenken, zum Glück. Junge Männer wünschen sich mehr Zeit für ihren Nachwuchs. Das gehört unterstützt. Wenn bei all den Ambitionen in Beruf und Familie auch die Partnerschaft heil bleiben soll, muss es selbstverständlich werden, dass Eltern für eine Weile die Arbeitszeit reduzieren. Beide, auch in Spitzenjobs. Geht nicht? Gibt's nicht. Ohne erhebliche Anstrengung aus Politik und Wirtschaft verspielt Deutschland ein Stück Zukunft.

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