Frauen in Führungsgremien:Mehr Quoten sind auch keine Lösung

Die Quote ebnet Frauen den Weg in den Aufsichtsrat.

Eine Quote hilft, Frauen in Aufsichtsräte zu befördern. Damit sie auch in Vorstände bestellt werden, muss mehr passieren.

(Foto: imago/Science Photo Library)

Für Aufsichtsräte sind sie sinnvoll. Damit Frauen auch in die Vorstände großer Unternehmen aufsteigen, braucht es aber einen Kulturwandel.

Kommentar von Henrike Roßbach

Seit gut zwölf Jahren wird Deutschland von einer Frau regiert. Über die Bundeswehr gebietet eine Ministerin. Frauen gründen Firmen, fliegen bald ins All, kämpfen in Afghanistan. Es gibt Krippen für ihre Kinder und eine staatlich finanzierte Babypause samt Rückkehrrecht. Und dennoch sind die obersten Etagen der Konzerne hierzulande Männerrefugien.

Nicht einmal auf jedem zehnten Vorstandssessel in den zweihundert größten Unternehmen sitzt eine Frau. In den Aufsichtsräten ist zwar ein Viertel der Posten in weiblicher Hand. Das aber liegt vor allem an der Quote, die der Staat einigen Unternehmen vor zwei Jahren für ihre Kontrollgremien verordnet hat; die wirkt.

Muss dann konsequenterweise als Nächstes die Frauenquote für Vorstände kommen? Nein. Der Weg führt nicht über neue Quoten oder die Neuerfindung der arbeitenden Frau, sondern über die Männer. Solange der allzeit verfügbare Mann Norm und Normalität ist, wird sich gar nichts ändern. Die Idee, dass Frauen sich schlicht auf die jahrzehntelang eingetrampelten Karrierepfade der Männer begeben sollen, ist ungefähr so, wie den Schwellenländern die Industrialisierung im Stil des 19. Jahrhunderts ans Herz zu legen: nicht ganz ohne innere Logik, aber trotzdem Blödsinn.

Zentral für den Aufstieg der Frauen ist zunächst einmal eine faire Aufteilung der Familienarbeit. Noch erledigen die Frauen den größten Brocken - teilweise, weil sie es so wollen; oft aber auch, weil Doppelkarrieren nach den heutigen Spielregeln nur schlecht zu Kindern passen. Zum einen ist die 24-Stunden-Kita zwar erfunden, von ihr träumen aber nur die abgebrühtesten Arbeitgebervertreter.

Zum anderen herrscht in den Unternehmen nach wie vor die Vorstellung, dass es schade, aber okay ist, wenn eine Frau Elternzeit nimmt oder einige Jahre Teilzeit arbeitet - ein Mann, der das Gleiche tut, aber eine Sensation ist wie ein im Zoo geborener Panda, nur ohne Niedlichkeitsbonus. Warum hört man den Satz "Also ich kann nicht länger Elternzeit nehmen, das geht mit meinem Job wirklich nicht" so selten von Frauen und so oft von Männern? Das ist vorauseilender Gehorsam der Männer. Aus purer Feigheit.

Vorstand und Aufsichtsrat sind nicht zu vergleichen

Verschwinden muss auch die Präsenzkultur in den Firmen. Davon reden zwar immer alle, überwunden ist die stete Anwesenheit als Karrierebeschleuniger aber noch lange nicht. Weiter als die großen sind teilweise die Familienbetriebe, in denen die Töchter der einstigen Patriarchen die Führung übernommen haben.

Und die Quote? Ach, wenn es so einfach wäre. Leider ist das Nischendasein der Frauen in den innersten Zirkeln der Wirtschaft ein eher komplexes Problem. Im Handstreich lässt sich da gar nichts bewegen. Nicht einmal der Staat schafft es, in Betrieben mit Bundesbeteiligung mehr als 18 Prozent Frauen in den Vorständen unterzubringen, obwohl die Frauenförderung ein politisches Lieblingsthema ist. Offensichtlich liegt es also nicht nur am mangelnden Willen, dem man mit einer Quote auf die Sprünge helfen könnte.

Was für die Aufsichtsräte richtig war, muss es nicht für die Vorstände sein. Wer in einen Aufsichtsrat will, braucht Selbstbewusstsein und Erfahrung, berufliche und solche im Leben. Dass es dafür nicht genügend geeignete Frauen gebe, war ein Witz, den die Wirtschaft gerne erzählte, bis selbst die CDU-Kanzlerin die Pointe nicht mehr ertragen konnte, und die Quote kam. Und siehe da, es geht. Der Kandidatinnen-Pool ist groß und reicht branchenübergreifend bis in den Mittelstand.

Vorstände aber sind anders. Drin sein bedeutet, einen Mehr-als-Vollzeit-Job zu haben, enorme Verantwortung zu tragen, wahrhaftig an der Spitze zu stehen. Dafür braucht man Konzernfrauen aus den obersten Etagen. Die aber sind rar. Dorthin also, in die Ebenen unterhalb des Vorstands, müssen Frauen es schaffen, auch als Vorbild für jene, die am Anfang stehen.

Männer müssen an den Strukturen rütteln

Den dafür notwendigen Kulturwandel wird niemand servieren wie ein Schnittchen beim fliegenden Buffet. Frauen müssen unbescheidener sein, aufhören, sich ständig zu entschuldigen, im richtigen Moment mutig sein. Und Männer müssen endlich an den von ihnen selbst geschaffenen Strukturen rütteln; auch für sich selbst.

Es ist nicht Bürde, abends zu Hause zu sein, bei der Ballettvorführung vorne zu sitzen und das Baby länger als zwei Monate durch die Stadt zu schieben - es ist Privileg. Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie hat gesagt: "We should all be feminists." Wir sollten alle Feministen sein. Betonung auf alle.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: