Frauen als Partner in Kanzleien:Karriere als Anwältin - bitte ohne Kinder

In deutschen Großkanzleien saßen Frauen früher nur im Vorzimmer. Heute ist die Hälfte der Berufseinsteiger weiblich - doch nur jede siebte Anwältin schafft es zur teilhabenden Partnerin. Das wurmt inzwischen sogar die Kanzleien.

Anne-Ev Ustorf

Carolin Fischer hatte alle Chancen auf eine glänzende Karriere als Anwältin. Doch als sie mit Anfang dreißig nach einem Top-Studium, einem Top-Examen und einer Promotion endlich ihren Traumjob in einer Großkanzlei in Berlin ergattert hatte, wusste die zielstrebige Gesellschaftsrechtlerin plötzlich nicht mehr so recht, wie es weitergehen sollte.

Frau im Arbeitsstress

Sie können noch so gut sein - wenn sie Kinder bekommen, haben Frauen kaum mehr Chancen als Anwältin zur teilhabenden Partnerin aufzusteigen.

(Foto: Sergey Baykov,iStockphoto)

Das Problem waren nicht die anspruchsvollen Mandate, die Zwölf-Stunden-Tage und häufigen Reisen, die Fischer absolvierte, um in der Kanzlei irgendwann von der angestellten Anwältin zur teilhabenden Partnerin aufsteigen zu können. Das Problem war, dass sie sich ein Kind wünschte. Doch Mutterschutz, Elternzeit und Feierabend um 18 Uhr waren als Partnerin nicht drin, schon gar nicht in der traditionsreichen Sozietät, in der sie arbeitete. Und ihr Ehemann wollte auch nicht zu Hause bleiben.

"Mein Mentor sagte mir klipp und klar, dass er mich unbedingt halten wolle, eine Partnerschaft in meinem Fachgebiet aber nur bei vollem beruflichen Einsatz möglich wäre", erzählt Fischer. Aber wie sollte das gehen, mit Baby? Sie entschied sich für einen Karrierewechsel. Nun ist sie Richterin und holt täglich um 16 Uhr ihre Zwillinge aus der gerichtseigenen Kita ab. "Es ist okay, aber inhaltlich vermisse ich meinen alten Job schon", sagt die 35-Jährige, "das Richteramt finde ich eher langweilig."

Für ambitionierte Junganwälte ist eine Position in einer großen Wirtschaftskanzlei noch immer das Nonplusultra. Interessante Mandate, internationale Kontakte, Einstiegsgehälter von mehr als 100.000 Euro locken die Jahrgangsbesten in Großkanzleien wie Hogan Lovells oder Hengeler Mueller. Die Arbeitsbelastung ist enorm, viele Junganwälte kommen locker auf 60 Wochenstunden. Doch wenn sie Karriere machen wollen, müssen sie sich richtig reinhängen. Denn nur wer ordentlich Umsatz macht, schafft nach fünf bis sechs Jahren den Schritt vom angestellten Anwalt - genannt Associate - zum Partner, also Teilhaber.

Just in diese Zeit allerdings fällt auch die Gründung einer Familie. Doch Auszeiten werden nicht gern gesehen, weder bei den Associates noch bei den Partnern, und manchmal auch bei den Mandanten nicht. Vor allem im Bereich Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, kurz M&A). "Wir sind Dienstleister mit Stundenhonoraren zwischen 300 und 500 Euro, da erwarten unsere Mandanten in Transaktionsphasen absolute Verfügbarkeit", sagt ein Associate aus München, der lieber anonym bleiben möchte. "Da kann man nicht um 22 Uhr nach Hause gehen."

Also kehren viele Top-Anwältinnen den Großkanzleien nach einigen Jahren den Rücken. Hervorragend qualifizierte Anwältinnen sind daher heute vor allem im öffentlichen Dienst, in der Justiz oder in Unternehmen zu finden, wo strukturierte Arbeitsformen und Familienverträglichkeit garantiert sind. In den großen Wirtschaftskanzleien machen sie nur fünf bis 15 Prozent der Partner aus. Die Führungsriegen deutscher Sozietäten sind nach wie vor eine Männerdomäne.

Das haben mittlerweile auch die Großkanzleien gemerkt. Und es wurmt sie. Denn guter Nachwuchs ist auf dem Arbeitsmarkt schwer zu finden. Trotzdem beginnt das Umdenken nur langsam. "Das ist ein Lernprozess und eine Herausforderung für uns alle", gibt Hubertus Kolster zu, General Managing Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle. Von 203 Partnern an neun Standorten in Deutschland kann CMS bislang 30 Partnerinnen verzeichnen, acht davon in Teilzeit. Denn Kolster ist fest entschlossen, das Steuer herumzureißen. "Wir brauchen die Frauen unbedingt", erklärt er, "also müssen wir uns der gesellschaftlichen Verantwortung stellen und mit den alten Mustern brechen."

Teilzeit - auch für Männer

Seit einiger Zeit bietet CMS jungen Associates Parttime-Jobs an und hat sogar Teilzeit-Partnerschaften eingerichtet, um ambitionierte Mütter bei der Stange zu halten. "Unsere Teilzeit-Partner arbeiten 60 oder 70 Prozent, das sprechen wir individuell ab", sagt Kolster. "Besonders gut geht das zum Beispiel in den Bereichen Litigation oder Arbeitsrecht. Im Bereich M&A ist es schwieriger, da muss man sich nichts vormachen."

"Ärzte müssen auch viel arbeiten"

Um noch mehr Türen zu öffnen, arbeitet CMS derzeit an einem alternativen Karriereweg zwischen Associate und Partner. "Diese Karriereoption ist ausdrücklich nicht gedacht für weniger ambitionierte Anwälte und könnte sich für junge Mütter und Väter eignen, die gerade in der betreuungsintensiven Familienphase stecken", sagt Kolster, und fügt hinzu, dass bei CMS Hasche Sigle jüngst sogar zwei Väter Elternzeit genommen haben.

Man kann es aber auch anders machen. So wie Hilke Herchen. Die 36 Jahre alte, promovierte Anwältin ist seit neun Jahren bei CMS, seit drei Jahren als Partnerin. Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich M&A. Das heißt: Sie arbeitet viel, wenn große Transaktionen anstehen, sogar mal bis in die Nacht. Das findet sie nicht weiter schlimm: "Ärzte müssen schließlich auch viel arbeiten." Und doch hat sie zwei kleine Töchter und empfindet ihr Familienleben als ziemlich unkompliziert. Denn ihr Mann, ein Richter, holt die Kinder immer um 16 Uhr ab.

"Es war ziemlich schnell klar, dass Teilzeit in seinem Job besser möglich ist", sagt die Hamburgerin. "Also erlebt nun er den Spagat zwischen Beruf und Familie. Das ist für ihn zwar manchmal anstrengend, aber im Großen und Ganzen macht er das gern." Wenn Hilke Herchen abends gegen halb neun Uhr nach Hause geht, versucht sie, ihren Mann so weit wie möglich zu entlasten, zum Beispiel, indem sie vorher noch für die Familie einkaufen geht. "Das unterscheidet mich von vielen Kollegen hier, die mit dem Familienalltag gar nichts am Hut haben."

Ermutigung für die Kolleginnen

Trotzdem kann die voll berufstätige Mutter junge Anwältinnen nur ermutigen, dieses Modell zu wählen. Denn auch die Sozietät zeigte sich offen für die Bedürfnisse ihrer Partnerin. Als sie nach der Geburt ihrer zweiten Tochter vier Monate Elternzeit nahm, erfuhr sie viel Unterstützung und übergab erfahrenen Kollegen ihre Mandatsarbeiten. Eine wichtige Zeit für sie. "Mein Eindruck ist, dass meine Kinder so schon ganz früh gemerkt haben, dass ich präsent bin, auch wenn ich heute nicht mehr so viel daheim bin", sagt sie. "Wenn sie nachts aufwachen, rufen sie mal Mami, mal Papi." Auch das ist also Fortschritt: Zu schauen, dass die Väter Teilzeit arbeiten.

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