Frage an den SZ-Jobcoach:Wie überzeuge ich Mitarbeiter von notwendigen Überstunden?

Zwei Mitarbeiter von Carola S. weigern sich beharrlich, länger zu bleiben - obwohl sie Überstunden in ruhigeren Geschäftsphasen abbauen können. Gibt es einen Ausweg?

SZ-Leserin Carola S. fragt:

Ich bin 48 Jahre alt und leite ein Institut für Aus- und Weiterbildung im Medienbereich. In den letzten Jahren hat es im Office-Bereich immer wieder Schwierigkeiten zwischen den vier Mitarbeitern gegeben, weil alle die kreativen Aufgaben bevorzugten und die weniger geliebten Verwaltungsjobs ab und zu liegen ließen. Weil das viele Feuerwehreinsätze in letzter Sekunde nach sich zog, habe ich zwei frei werdende Stellen durch Mitarbeiter ersetzt, die vorher in der Verwaltung von Versicherungen gearbeitet haben. Beide erweisen sich als sehr zuverlässig in der Bearbeitung administrativer Aufgaben, und beide lieben die offene und vertrauensvolle Atmosphäre in unserem Office.

Doch jetzt treten Probleme auf, wenn sie berufsbedingt Überstunden machen müssen. Das kommt nur an circa zehn Tagen im Jahr vor, ist dann aber unvermeidlich. Die Überstunden können durch mehr Freizeit in ruhigeren Geschäftsphasen abgebaut werden. Doch all meine Erklärungsversuche nutzen nichts. Es ist, als ob ich vor eine Wand rede. Die beiden Mitarbeiter empfinden die Überstunden als Zumutung. Ihr Tagesablauf würde dadurch zu sehr durcheinandergebracht. Ich suche eine kooperative Lösung. Wie kann ich die beiden Mitarbeiter von der Notwendigkeit der Überstunden überzeugen?

Georg Kaiser antwortet:

Liebe Frau S., Überzeugungsgespräche haben Sie ja bereits geführt. Allerdings leider ohne das gewünschte Ergebnis. Die Mitarbeiter sind nicht bereit, die Komfortzone eines klar geregelten Tagesablaufs zu verlassen und halten das für ein Recht, das ihnen zusteht. Sie freuen sich über die Vorteile und das gute Betriebsklima des Arbeitsplatzes, sind aber nicht bereit, ihren Preis dafür zu bezahlen.

Die meisten Menschen weichen unangenehmen Veränderungen so lange aus, wie es eben geht, und setzen sich mit ihrem inneren Schweinehund erst dann auseinander, wenn die Konsequenzen des Festhaltens an lieb gewonnenen Haltungen so unangenehm werden, dass sie unter diesen Umständen doch ins Auge fassen, bestimmte Entwicklungsschritte zu vollziehen.

Führen Sie Einzelgespräche mit beiden Mitarbeitern. Fragen Sie, wie sie sich eingelebt haben und was sie an der Arbeit im Office schätzen. Und geben Sie ihnen ein ehrliches Feedback, welche Leistungen Sie positiv bewerten. Dadurch wird deutlich, was die Mitarbeiter verlieren, wenn sie an ihrer starren Haltung festhalten. Sprechen Sie im Anschluss daran offen an, dass zu bestimmten Anlässen Überstunden anfallen und dass Sie sich fragen, ob die Flexibilität, die der Job im Office verlangt, die Mitarbeiter überfordert. Danach schweigen Sie.

Das bewirkt, dass den Mitarbeitern die Konsequenzen ihrer Haltung deutlich werden: Wenn sie ihre Arbeit auf Dauer behalten wollen, müssen sie sich bewegen. Erst wenn das im Innern angekommen ist, wird sich zeigen, ob sie bereit sind, ihr Verhalten zu verändern, oder ob sie von ihrer Persönlichkeitsstruktur und von ihrer Grundüberzeugung her nicht flexibler sein können - und damit dann aber auch nicht in Ihr Team passen.

Ein solches Gespräch braucht die Spannung, die bewirkt, dass Selbstverständliches infrage gestellt werden muss. Spannung aufbauen ist etwas anderes als zu fordern oder zu kämpfen. Verdeutlichen Sie lediglich die Konsequenzen, die ein Ja oder ein Nein hat, und lassen Sie die Mitarbeiter ihre Entscheidung treffen. Sie muten Ihren Mitarbeitern damit etwas zu, geben ihnen aber auch die Chance, in die Anforderungen des Arbeitsplatzes hineinzuwachsen.

Wenn sich die Mitarbeiter für mehr Flexibilität entscheiden, können Sie zu einem kooperativen Kurs zurückkehren und gemeinsam mit ihnen ein Prozedere abstimmen, das möglichst transparent und frühzeitig aufzeigt, wann und zu welchen Anlässen Überstunden anfallen und wie sie ausgeglichen werden. Akzeptieren Sie, wenn ein Mitarbeiter die Überstunden nicht machen will. Kooperation heißt dann, ihm zu helfen, eine geeignetere Stelle zu finden.

Georg Kaiser unterstützt Führungskräfte bei Konflikten im Arbeitsalltag und der Entwicklung ihres Personals. Er arbeitet als Wirtschaftsmediator, Managementtrainer, Coach, Supervisor und Gestalttherapeut in Bremen.

Haben Sie auch eine Frage zu Bewerbung, Berufswahl, Etikette, Arbeitsrecht, Karriereplanung oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird selbstverständlich anonymisiert.

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