Frage an den SZ-Jobcoach:Wie schaffe ich den beruflichen Neuanfang?

Lesezeit: 2 min

Robert W. ist Schauspieler, Dozent und Regisseur. Nun möchte er den beruflichen Neuanfang wagen - doch bei der Arbeitsagentur schaut er in ratlose Gesichter. Welche Fragen sich Jobwechsler stellen und was sie bei der Bewerbung beachten sollten.

SZ- Leser Robert W. fragt:

Seit mehr als 30 Jahren bin ich als Schauspieler für Theater, Film und Fernsehen tätig. Seit 15 Jahren arbeite ich auch als Dozent für Rollenunterricht und führe Regie. Wegen der schwankenden Auftragslage werde ich hin und wieder bei der Arbeitsagentur vorstellig und versuche mich dort über andere Berufsfelder zu informieren, die zu meinem Profil passen würden. Leider schaue ich immer in komplett ratlose Gesichter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es für jemanden mit meiner Lebenserfahrung, sozialen Kompetenz, Bildung und handwerklichen Fähigkeit nichts zu tun gibt. Wo kann ich fündig werden?

Madeleine Leitner antwortet:

Lieber Robert W., an Ihrer Frage lässt sich exemplarisch etwas Grundlegendes herausarbeiten: Wie können Sie Ihre sehr speziellen Jobs auf andere Branchen und Aufgaben übertragbar machen? Dafür sollten Sie zunächst Ihre Fähigkeiten und Erfahrungen von Ihrem bisherigen Tätigkeitsfeld lösen und eine Ebene tiefer ansetzen.

Beginnen wir mit Ihrer Funktion als Schauspieler: Bevor Sie Ihre Rollen darstellen, müssen Sie sich intensiv mit den betreffenden Personen beschäftigen. Dafür müssen Sie in der Lage sein, sich in deren Position zu versetzen und in sie einzufühlen. Sie müssen sich besonders gut ausdrücken können, sprachlich, stimmlich, mimisch und durch Einsatz Ihres Körpers. Erst dann können Sie Ihre Rollen glaubhaft darstellen und das Publikum überzeugen.

Was tun Sie in Ihrer Funktion als Dozent? Sie müssen Ihr Thema zunächst geistig durchdringen, die Essenz herausarbeiten und den Stoff in eine systematische Reihenfolge bringen. Um Ihren Lehrplan anschaulich zu machen, müssen Sie die Perspektive Ihrer Schüler einnehmen und sich anschließend auch sprachlich auf Ihre Zuhörer einstellen, lebendig formulieren und sich deutlich artikulieren können.

Was tun Sie als Regisseur? Je nach Zuschnitt der Aufgabe entwickeln Sie zunächst ein in sich stimmiges Konzept. Bei den Proben müssen Sie sich auf unterschiedliche Personen einstellen und ihr Potenzial unterstützen. Manche gilt es zu beruhigen, andere zu ermutigen, gegen wiederum andere sich auch durchzusetzen. Sie müssen weitere Mitarbeiter instruieren, Konflikte lösen und immer wieder Entscheidungen treffen. Regisseure sind heutzutage auch Projektmanager, die effektiv und auch kostengünstig arbeiten müssen.

Welche Aufgaben gibt es dafür? Um nur einige zu benennen: eine Tätigkeit im Verkauf oder Vertrieb setzt voraus, dass Sie sich in die Perspektive von Menschen eindenken können und sie da abholen, wo sie sind, um sie überzeugen zu können. Sie könnten eine gute Führungskraft sein (bei der das Fachwissen der Branche dann keine große Rolle spielen muss), ein guter Projektmanager (vielleicht ergänzt durch eine spezifische Ausbildung für Projektmanagement), ein Trainer für verwandte Themen (etwa für öffentliche Auftritte wie Präsentationen, Vorträge, aber auch Smalltalk, Flirten), als Unternehmensberater Vorgänge in Firmen beobachten und in Form von Unternehmenstheater den Spiegel vorhalten.

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Einige Varianten sind grundsätzlich als Angestellter vorstellbar. Sie sollten aber bedenken, dass Sie vermutlich als Seiteneinsteiger und vom Alter her bei normalen Bewerbungen das Nachsehen haben. Daher sollten Sie eher auf dem verdeckten Stellenmarkt aktiv werden. Sie müssen in der Lage sein, Fachfremden zu erklären, was von Ihrer bisherigen Tätigkeit auf die gewünschte Aufgabe übertragbar ist. Viele der genannten Ideen könnten Sie auch als Selbständiger ausüben und dann sogar besser mit Ihrer Haupttätigkeit vereinbaren.

Madeleine Leitner ist Diplom-Psychologin und hat als Therapeutin in Kliniken, als Gerichtsgutachterin und Personalberaterin für große Konzerne gearbeitet. Heute ist sie selbständige Karriereberaterin in München.

Haben Sie auch eine Frage zu Bewerbung, Berufswahl, Etikette, Arbeitsrecht, Karriereplanung oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten beantworten ausgewählte Fragen im Wechsel. Ihr Brief wird selbstverständlich anonymisiert.

© SZ vom 11./12.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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