Frage an den SZ-Jobcoach:Wie entlaste ich eine überforderte Führungskraft?

Lesezeit: 3 min

Ein Bereichsleiter seiner Firma hat private Sorgen und macht deshalb im Job Fehler. Wie kann Geschäftsführer Jakob L. handeln?

SZ-Leser Jakob L. fragt:

Ich bin Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens. Familiäre Verpflichtungen fordern einen meiner Bereichsleiter so stark, dass er seinen Job in den letzten vier Monaten mehr schlecht als recht bewältigt hat. Seine Frau ist chronisch erkrankt. Sie kann sich nicht mehr gut um die drei Kinder und die mit im Haus lebenden Eltern kümmern. Er ist überzeugt, sowohl die Beanspruchungen des Berufs schultern zu können wie auch die der Familie. Versäumnisse und Fehler, über die sich seine Teamleiter immer häufiger beschweren, lässt er nicht an sich heran. Er ist ein guter Mann und hat sich sehr um die Firma verdient gemacht. Wie überzeuge ich ihn davon, sich für die Betreuung der Kinder und die Pflege der Eltern professionelle Hilfe zu suchen?

Georg Kaiser antwortet:

Lieber Herr L., ich schätze Ihre Haltung, dem Bereichsleiter in einer persönlichen Krise den Rücken zu stärken und ihm Unzulänglichkeiten zu verzeihen. Ebenso teile ich Ihre Ansicht, dass es auf Dauer so nicht weitergehen kann. Eine viermonatige Schonfrist sollte ausreichen, um die Weichen neu zu stellen und eine tragfähige Perspektive zu entwickeln. Wenn Sie länger warten, drücken auch Sie sich um eine Entscheidung.

Die Teamleiter werden sich nicht sofort bei den ersten Fehlern des Bereichsleiters an Sie gewandt haben. Dass sie sich bereits mehrmals beschwert haben, zeigt die Brisanz der Versäumnisse und macht die Notwendigkeit eines veränderten Vorgehens deutlich. Es fällt in den Kernbereich Ihres Aufgabenfeldes, den reibungslosen Ablauf im Unternehmen sicherzustellen und dabei das Wohl der Mitarbeiter im Blick zu haben.

Wenn Ihr Bereichsleiter glaubt, trotz zunehmender Kritik so weitermachen zu können wie bisher, überschätzt er seine Möglichkeiten oder blendet Schwierigkeiten aus. Wahrscheinlich beides. Hier sind Sie als Vorgesetzter gefragt. Allerdings nicht in der Funktion, ihn zu überzeugen, sondern in der, ihn wachzurütteln. Führen Sie ein offenes Gespräch. Heben Sie hervor, wie Sie seine Fähigkeiten und Verdienste in den letzten Jahren eingeschätzt haben. Kontrastieren Sie diese Sicht mit seinem aktuellen Leistungsvermögen und den Beschwerden der Teamleiter. Und sagen Sie ihm auch, dass es so nicht weitergehen kann. Schonen Sie ihn nicht. Bleiben Sie würdigend und freundlich, aber klar. Verdeutlichen Sie ihm die Aufgaben und Erwartungen, die Sie an einen Bereichsleiter stellen.

Damit definieren Sie die Leitplanken, innerhalb derer er sich bewegen muss. Es ist wichtig, dass er diesen Anforderungen ins Auge blickt. Erst dann kann er sich entscheiden, welche Prioritäten er setzen will. Solange er trotz gegenteiliger Hinweise glaubt, alles im Griff zu haben, verleugnet er seine Situation. Entscheidet er sich nicht, müssen Sie das für ihn tun. Zum Wohle des Unternehmens - aber auch zu seinem Wohl.

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Von Christina Waechter

Solange er weder familiär noch beruflich Abstriche machen will, zahlt er den Preis in Form einer permanenten Überforderung. Er meint, alles schaffen zu müssen - und scheitert. Er strengt sich noch mehr an - und scheitert erneut. Damit tut er niemandem einen Gefallen. Es ist ein Einstiegsszenario für einen Burn-out. Entlasten Sie ihn, indem Sie ihm Aufgaben ganz oder zum Teil entziehen. Erst wenn er nicht mehr permanent überfordert ist, kann sich sein Blick wieder öffnen für die Aufgaben, die er realistisch bewältigen kann und für Unterstützungsangebote, die er annehmen kann.

Ob Sie den Bereichsleiter von der Lösung überzeugen können, die Sie selbst für die beste halten, ist - vorsichtig ausgedrückt - ergebnisoffen. Denn ob er Ihnen folgt, hängt nur zu einem kleinen Teil von Ihrer Überzeugungskraft ab. Seine inneren Werte bilden den Kompass, der ihm anzeigt, ob die Nadel mehr in Richtung der hohen beruflichen Anforderungen ausschlägt oder in Richtung der familiären Präsenz. Die Antwort muss er selbst finden. Das Herz zeigt in derartigen Fragen besser die Richtung an als der Verstand.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de . Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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