Frage an den SZ-Jobcoach:Wer bezahlt die Reise zum Vorstellungsgespräch?

SZ-Leserin Sarah W. wurde zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen - allerdings ist ihr potenzieller neuer Arbeitgeber 500 Kilometer von ihrem derzeitigen Wohnsitz entfernt. Hat sie Anspruch auf Erstattung der Reisekosten? Der Jobcoach weiß es.

SZ-Leserin Sarah W. fragt:

Ich habe ein Vorstellungsgespräch in einer 500 Kilometer entfernten Stadt und wurde schon am Telefon gefragt, ob ich trotz der dortigen Wohnungsnot zu einem Umzug bereit sei. Ich sagte, dass es mich auch privat in diese Stadt ziehe.

Für das Gespräch standen Termine um neun und um 14 Uhr zur Auswahl. Als ich den ersten Termin bestätigte und nach einer Übernachtungsmöglichkeit fragte, hieß es, Reisekosten würden nicht übernommen. Das erstaunt mich - ist das mittlerweile üblich? Oder ist es eher ein Zeichen für die Unseriösität des Unternehmens?

Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, ich wolle die Kosten für eine private Reise einstreichen. Aber ich frage mich schon, wie ernst es einer Firma ist, wenn ich mir für ein Vorstellungsgespräch zwei Urlaubstage nehme und sie nicht einmal die Anreise zahlt?

Vincent Zeylmans antwortet:

Liebe Frau W., der Gesetzgeber hat grundsätzlich geregelt, dass die Reisekosten für ein Vorstellungsgespräch vom potenziellen Arbeitgeber übernommen werden (Paragraf 670 BGB). Das ist auch der Grund, weshalb der Arbeitgeber eine schriftliche Einladung verfassen sollte. So war es zumindest jahrzehntelang üblich. Die Zeiten haben sich allerdings geändert, und daher lohnt es sich mittlerweile durchaus, diesem Thema Aufmerksamkeit zu widmen, um keine bösen Überraschungen zu erleben.

Arbeitgeber können die Kostenübernahme für ein Vorstellungsgespräch nämlich auch ausschließen. Das sollten sie möglichst schon im Vorfeld tun und zwar in schriftlicher Form. Es ist dem Bewerber überlassen, welche Schlussfolgerungen er aus dieser Ankündigung zieht.

Er kann es als Hinweis auf die Unternehmenskultur sehen und positiv interpretieren: Dieses Unternehmen ist offenbar ganz besonders sparsam und gibt kein unnötiges Geld aus. Er kann es natürlich auch skeptisch betrachten und sich denken: Wenn schon kein Geld für die Anreise bezahlt wird, wie wird es dann später mit Weiterbildungen, Entwicklungsmöglichkeiten oder Gehaltserhöhungen aussehen?

Oder der Bewerber erklärt sich ein solches Arbeitgeberverhalten mit der Knappheit an Jobs und der Menge an Kandidaten mit der erforderlichen Qualifikation für die Position. Das Unternehmen kann es sich anscheinend leisten, keine Reisekosten zu übernehmen, denn offensichtlich sind ausreichend viele Bewerber bereit, unter diesen Bedingungen zum Vorstellungsgespräch anzureisen.

Falls sich das Unternehmen entgegenkommend zeigt: Welche Kosten werden übernommen? Öffentliche Verkehrsmittel zweiter Klasse können in Rechnung gestellt werden. Mittlerweile sind Flüge häufig günstiger als Bahnreisen. Bevor beim Arbeitgeber der Eindruck entsteht, dass der Bewerber ein Jetset-Verhalten pflegt, sollte er einen Preisvergleich für Bahn- und Flugreise anstellen und der Abrechnung beilegen. In beiden Fällen gilt: Belege einreichen!

Für die Anreise mit dem Privatfahrzeug werden derzeit 0,30 Euro pro Kilometer vergütet. Auch wenn man einem Stau ausgewichen ist und dafür 50 Kilometer zusätzlich gefahren ist, sollte man lieber bei der von einem Routenplaner errechneten Gesamtstrecke bleiben.

Auch Personalberater stehen in der Pflicht, Reisekosten zurückzuerstatten. Denn die gesetzliche Regelung gilt genauso für Beratungsunternehmen, die einen Headhunter mit einem Suchmandat beauftragen. Wenn ein Headhunter auf eigene Faust Kandidaten einlädt, beispielsweise um seine Datenbank mit entsprechenden Lebensläufen zu füllen, ist auch er zur Kostenübernahme verpflichtet.

Vorsicht bei internationalen Bewerbungen! Die deutsche Gesetzgebung kann nicht ohne Weiteres auf das Ausland übertragen werden.

In der Schweiz, dem beliebtesten deutschen Auswanderungsland, gilt zum Beispiel keine Pflicht zur Reisekostenübernahme. Bevor man also den Flug nach Zürich bucht, sollte man das Thema Reisekostenerstattung individuell und schriftlich mit dem Arbeitgeber abstimmen. Generell ziehen es viele Unternehmen aus dem Ausland vor, zunächst ein ausführliches Telefoninterview mit dem Bewerber zu führen. Und die Telefongebühren tragen sie dann natürlich selbst.

Vincent Zeylmans war jahrelang Abteilungsleiter in internationalen Konzernen. Deren Rekrutierungspolitik kennt er daher aus der Praxis. Heute lebt er als Buchautor, Führungskräftecoach und Managementtrainer in Emmerich am Rhein.

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