Frage an den SZ-Jobcoach:Schwerbehindert - wann sage ich das meinem Chef?

Lesezeit: 2 min

Marcus H. ist aufgrund von Diabetes zu 50 Prozent schwerbehindert und fragt sich, wie er bei der Suche nach einem neuen Job damit umgehen soll.

SZ-Leser Marcus H. fragt:

Ich bin aufgrund von Diabetes zu 50 Prozent schwerbehindert und auf Jobsuche. Nun stehe ich vor der Frage, ob ich meine Schwerbehinderung schon bei der Bewerbung publik machen soll, nach der Probezeit oder besser gar nicht. Meine Erfahrung aus 15 Jahren Berufsleben hat mir leider gezeigt, dass Arbeitgeber lieber gesunde Bewerber einstellen - auch wenn sie das selbstverständlich niemals sagen würden. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um den Arbeitgeber zu informieren?

Ina Reinsch antwortet:

Lieber Herr H., ein guter Zeitpunkt, Ihren neuen Arbeitgeber über Ihre Schwerbehinderung zu informieren, ist für Sie ein solcher, in dem Ihnen aus arbeitsrechtlicher Sicht kein Jobverlust droht. Nehmen wir also die verschiedenen Zeitpunkte einmal genauer unter die Lupe: Es besteht grundsätzlich keine rechtliche Verpflichtung, die Schwerbehinderung bereits im Laufe des Bewerbungsprozesses bekanntzumachen. Eine entsprechende Frage des Arbeitgebers ohne konkreten Bezug zur Tätigkeit stellt eine Diskriminierung dar. Sie müssen sie nicht wahrheitsgemäß beantworten. Eine Ausnahme gibt es jedoch: Sind Sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, müssen Sie den Arbeitgeber sogar von sich aus darüber unterrichten.

Informieren Sie Ihren Arbeitgeber während der Probezeit, besteht die Gefahr, dass der sich innerhalb der ersten sechs Monate von Ihnen trennt. Denn während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Das Kündigungsschutzgesetz greift erst, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht. Auch der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte kommt erst nach sechs Monaten zum Tragen. Zwar muss der Arbeitgeber dem Integrationsamt die Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters in der Probezeit anzeigen, zustimmen muss die Behörde aber nicht.

Sind die ersten sechs Monate verstrichen, können Sie den Chef an sich gefahrlos über die Schwerbehinderung in Kenntnis setzen. Es spricht aus meiner Sicht vieles dafür, diesen Zeitpunkt zu wählen. Sie genießen ab jetzt besonderen Kündigungsschutz. Das heißt, dass Ihnen nur dann ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden kann, wenn das Integrationsamt vorher zugestimmt hat. Doch auch hier gilt: Sie sind nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber Bescheid zu geben.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Chef nach Ablauf der Probezeit nach einer bestehenden Schwerbehinderung fragt, etwa um eine Kündigung vorzubereiten. In diesem Fall müssen Sie die Karten offen auf den Tisch legen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Sie sich ansonsten im Kündigungsschutzprozess nicht mehr auf Ihre Schwerbehinderung berufen.

Fragt der Chef nicht und teilen Sie Ihre Schwerbehinderung erst nach Ausspruch einer eventuellen Kündigung mit, geht das rechtlich auch in Ordnung. Der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte gilt auch in diesem Fall. Der Mitarbeiter muss dann aber innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung sagen, dass er schwerbehindert ist, sonst verliert er den Sonderkündigungsschutz.

Allerdings halte ich es für sinnvoll, den Chef frühzeitig einzubinden. Denn als Schwerbehinderter haben Sie unter anderem Anspruch auf Zusatzurlaub in Höhe von fünf Tagen pro Jahr sowie die Teilnahme an der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung. Zudem kann die rechtzeitige Information dazu beitragen, eventuellen Konflikten vorzubeugen. Bedenken Sie auch, dass Betriebe ab 20 Mitarbeitern vom Gesetz dazu verpflichtet sind, auf fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze Schwerbehinderte zu beschäftigen. Wer diese Quote nicht erfüllt, muss eine Ausgleichsabgabe entrichten. Der Arbeitgeber ist also auf Ihre Mitwirkung angewiesen.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de . Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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