Frage an den SZ-Jobcoach:Soll man Smartphones in Meetings verbieten?

Eigentlich grob unhöflich: Während der Chef eine Präsentation hält, wischen die Kollegen mit abwesendem Gesichtsausdruck auf ihrem Handy rum.

SZ-Leser Fridtjof W. fragt:

Smartphones bei Besprechungen nerven mich zunehmend. Unablässig wischen die Kollegen mit abwesendem Gesichtsausdruck auf ihren Handys herum. Ich empfinde das als grob unhöflich. Unser Chef hat jetzt eine hirnrissige Vorschrift erlassen: Mails checken ist okay, aber wer anfängt zu tippen, muss den Raum verlassen. Die umständlichen Unterbrechungen stören nun noch mehr. Außerdem habe ich den Verdacht, dass die meisten Kollegen sowieso nur auf Facebook unterwegs sind. Welchen Umgang mit Smartphones im Meeting empfehlen Sie?

Jan Schaumann antwortet:

Lieber Herr W., mein erstes Handy war Anfang der Neunzigerjahre ein Klotz - von der Größe, dem Gewicht und den kommunikativen Möglichkeiten eines gut gefüllten Weißbierglases. Auf die Idee, damit etwas anderes anzustellen, als zu telefonieren (oder gegebenenfalls einen Nagel in die Wand zu schlagen), wäre damals wohl niemand gekommen. Gut zwanzig Jahre später haben Mobiltelefone die Dimension eines Post-it-Blocks und die Leistungsfähigkeit eines veritablen Notebooks.

Der SZ-Jobcoach

Jan Schaumann war in verschiedenen Führungspositionen in international operierenden Unternehmen in Europa, Asien und den USA tätig. Heute lebt er als Managementtrainer, Seminarleiter und Buchautor in Berlin.

Blicken wir ohne jede Wehmut zwanzig Jahre zurück, stellen wir Erstaunliches fest. Einen Urlaubstag am Strand verbrachten wir damals mit der Lektüre eines Buchs oder der aus dem Flugzeug entführten Klatschzeitschrift. Die Verbindung zu den Lieben daheim war maximal eine Postkarte, die kurz vorm Abflug im Hotelbriefkasten eingeworfen wurde. Wieder zu Hause wurde der 36er-Film zum Entwickeln gegeben und keine zwei Wochen später konnte die bunte Pracht bewundert werden. Ich meine mich sogar zu erinnern, dass wir während des Urlaubs nicht in ständiger Unruhe waren, daheim etwas zu verpassen.

Ich wage die These, dass wir die zunehmenden technischen Möglichkeiten gerne genutzt haben. Insbesondere die der Mobiltelefone. Eine Status-SMS nach der applausgekrönten Landung im Urlaubsgebiet an die Daheimgebliebenen, ein Anruf vom Strand an die ebenfalls schwitzenden Kollegen im Büro oder ein lustiges Foto vom abendlichen Barbesuch per Whats-app an sämtliche virtuellen Freunde. Und genauso gespannt sind wir auf die Meldungen, Mails und Mitteilungen der anderen. Geben wir's doch zu. Dass diese "substanzungebundene Abhängigkeit" sich auch auf den beruflichen Bereich auswirkt, liegt auf der Hand. Je besser die technischen Möglichkeiten sind, jederzeit und überall Informationen abrufen zu können, desto eher nutzen wir sie auch, um Nachrichten zu versenden. Und schon beißt sich die Katze in den Schwanz: Denn wo ein Absender ist, gibt es in der Regel auch einen Empfänger. Oder mehrere. Wir sind permanent damit beschäftigt, der Informationsflut Herr zu werden und setzen uns unter Druck, jede Nachricht sofort verarbeiten zu müssen.

Kurioserweise gibt es die von Ihnen beschriebenen Meetings immer noch. So richtige Zusammentreffen von echten Menschen meine ich. Die haben ja auch ihr Gutes - wir lesen nicht nur die Äußerungen des anderen, sondern können sie live und in Farbe erleben. Und spontan darauf reagieren. Ohne Rechtschreibfehler und Smileys. Da in der Zeit, in der jemand im Meeting spricht, jedoch unerwartet der Weltfriede ausbrechen könnte, checken wir den aktuellen Status vorsichtshalber im Minutentakt. Man weiß ja nie. Falls während der hoffnungsvollen Wartezeit dann etwas Wichtiges, Interessantes oder Lustiges im Mail-Eingang oder in der Whatsapp-Gruppe eintreffen sollte, müssen wir auch darauf reagieren. Am besten sofort und als Erster. Dumm nur, dass wir lediglich über hundert Prozent mentale Ressourcen verfügen, die wir dann aufteilen müssen. Unser lebendiger Kommunikationspartner im Meeting muss sich eben mit zwanzig oder dreißig Prozent begnügen. Pech gehabt! Zur Not können wir ja nach der Besprechung auch noch eine Mail schicken, falls wir etwas nicht richtig verstanden haben, oder?

Aber jetzt mal im Ernst: Die Maßgabe Ihres Chefs erscheint, bei allem Respekt, wirklich hirnrissig. Sie dürfen sich also auf Ihr Smartphone (anstatt auf die Besprechung) konzentrieren, allerdings nicht tippen. Sie dürfen mit der Zeit und dem Engagement der anderen respektlos umgehen und gerne auch stören, indem Sie zum Mail-Schreiben den Raum verlassen und kurz darauf wiederkehren. Welch ein Unsinn! Wie wäre es damit, Besprechungen auf die Minute pünktlich zu beginnen, auf einen Zeitraum von 15-Minuten-Abschnitten zu begrenzen und in dieser Zeit jegliche Smartphones und Notebooks aus dem Raum zu verbannen? Sollte während dieser Viertelstunde doch plötzlich der Weltfriede ausbrechen, bekommen Sie es schon früh genug mit.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

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