Frage an den SZ-Jobcoach:Muss man jede Stelle intern ausschreiben?

Jörg F. hat sich auf eine intern ausgeschriebene Stelle nicht beworben, weil sie nicht seinen beruflichen Vorstellungen entsprach. Im Nachhinein wurde die Stelle umdefiniert und er bereut, dass er sich nicht beworben hat. Hätte es eine neue Ausschreibung geben müssen?

SZ-Leser Jörg F. fragt:

In unserem Unternehmen wurde kürzlich eine Außendienstler-Stelle ausgeschrieben. Da ich auf keinen Fall im Außendienst arbeiten will, habe ich mich nicht beworben. Ein Kollege wird nun die Stelle antreten, aber plötzlich ist nicht mehr vom Außendienst die Rede, sondern von einer internen, Office-basierten Key-Account-Stelle, die mich auch interessiert hätte. Mein Chef meint, es würde umstrukturiert, aber noch sei nicht sicher, ob die Key-Account-Stelle tatsächlich genehmigt würde. Ist es rechtens, eine Stelle auszuschreiben und sie dann kurzerhand umzuwidmen? Oder hätte es eine zweite Ausschreibung geben müssen?

Ina Reinsch antwortet:

Lieber Herr F., für einen privaten Arbeitgeber besteht keine generelle Verpflichtung, neu geschaffene oder frei werdende Arbeitsplätze auszuschreiben, weder intern noch extern. Es ist grundsätzlich seine Sache, auf welche Weise er sich sein Personal beschafft. Er kann gezielt Arbeitnehmer im Betrieb ansprechen, einer Empfehlung aus dem Bekanntenkreis folgen, das Arbeitsamt oder einen Personalvermittler einschalten. Daraus folgt: Bewerber oder einzelne Arbeitnehmer haben keinen Rechtsanspruch darauf, dass der Arbeitgeber offene Stellen ausschreibt und können daher auch keine Rechte für sich ableiten. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings Ausnahmen.

Gibt es im Betrieb einen Betriebsrat, kann dieser nach Paragraf 93 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) verlangen, dass alle oder bestimmte Arbeitsplätze innerhalb des Betriebes ausgeschrieben werden. Nur bei leitenden Angestellten hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Die konkrete Ausschreibung muss dann inhaltlich bestimmten Mindestanforderungen genügen. Erforderlich sind etwa die Bezeichnung der zu besetzenden Stelle sowie Angaben zur Qualifikation der Bewerber. Daneben muss angegeben werden, ob es sich um eine befristete Beschäftigung und um eine Voll- oder Teilzeitstelle handelt und wann die Arbeitsaufnahme erfolgen soll. Zudem darf die Stellenausschreibung nicht diskriminierend sein, indem sie beispielsweise aufgrund ihrer Formulierung ältere Arbeitnehmer oder Frauen von einer Bewerbung ausnimmt. Der Arbeitgeber kann sich ansonsten schadenersatzpflichtig machen.

Fehler bei der Ausschreibung können für den Arbeitgeber aber noch andere Folgen haben. Hat der Betriebsrat eine Ausschreibung von Stellen verlangt, schert sich der Chef aber nicht darum, kann der Betriebsrat in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern seine Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers verweigern (§ 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG). Der Arbeitgeber darf den Bewerber dann nicht einstellen.

Das gilt auch für eine grob fehlerhafte Ausschreibung der Stelle. So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine Desinformation der Belegschaft über den offenen Arbeitsplatz einer Nichtausschreibung gleichkommt. Der Betriebsrat muss seine Zustimmung nicht erteilen. Allerdings lassen sich aus den Rechten des Betriebsrates keine direkten Ansprüche des unterlegenen Bewerbers gegen den Arbeitgeber ableiten.

Daneben kann auch eine Betriebsvereinbarung eine Pflicht zur Stellenausschreibung vorsehen. Zudem besteht für Teilzeitarbeitsplätze nach Paragraf 7 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes eine Ausschreibungspflicht. Für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst gelten noch einmal andere Regeln.

Damit ist der grobe rechtliche Rahmen umrissen, innerhalb dessen Sie sich beim Thema Stellenausschreibung bewegen. Das zeigt aber auch, dass die Beantwortung der Frage, ob alles korrekt abgelaufen ist, immer von den Umständen des Einzelfalls abhängt und genau geprüft werden muss. Ganz pragmatisch möchte ich Ihnen aber noch folgende Überlegung mit auf den Weg geben: Da die Key-Account-Stelle offensichtlich noch nicht genehmigt ist, dürfte Ihr Mitbewerber auch noch keinen Vertrag in Händen halten. Bewerben Sie sich doch auch ohne Ausschreibung auf den Job. Vielleicht klappt es ja.

Ina Reinsch hat Rechtswissenschaft in München und Zürich studiert. Heute lebt sie als Rechtsanwältin, freie Journalistin, Buchautorin und Referentin in München und befasst sich mit dem Thema Arbeitsrecht.

Haben Sie auch eine Frage zu Bewerbung, Berufswahl, Etikette, Arbeitsrecht, Karriereplanung oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird selbstverständlich anonymisiert.

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