Frage an den SZ-Jobcoach:Muss ich Lücken im Lebenslauf kaschieren?

Tobias K. hat mit einem potenziellen Arbeitgeber beim Bewerbungsgespräch nicht über eine Lücke in seinem Lebenslauf gesprochen. Nun fragt er sich: War das korrekt?

SZ-Leser Tobias K. fragt:

Vor ein paar Tagen nahm ich an einem Auswahlverfahren teil und muss nun 14 Tage warten, bis ich erfahre, ob ich den Job bekomme. Mein Lebenslauf enthält eine Lücke von zwei Jahren, doch ich wurde darauf nicht angesprochen. Nun frage ich mich: Wäre es besser, den Arbeitgeber jetzt noch zu informieren, was es mit dieser Lücke auf sich hat? Oder verhält es sich damit wie mit schlafenden Hunden, die man nicht wecken soll. Es könnte ja sein, dass der Arbeitgeber erst jetzt auf die Lücke aufmerksam geworden ist und deswegen mit einer Zusage zögert. Andererseits könnte es sein, dass ich ihn durch die nachträgliche Erklärung erst darauf stoße. Wie soll ich vorgehen?

Vincent Zeylmans antwortet:

Lieber Herr K., die amerikanischen Psychologieprofessoren Christopher Chabris und Daniel Simons produzierten vor einigen Jahren einen Kurzfilm über zwei Mannschaften, die sich Bälle zuspielten. Ein Team trug schwarze Hemden, das andere weiße. Die Zuschauer in dem Experiment hatten die Aufgabe, die Zahl der Ballwechsel des weißen Teams zu zählen. In der Mitte des Films taucht eine als Gorilla verkleidete Person auf und bewegt sich neun Sekunden lang auf dem Spielfeld. Der Hälfte aller Zuschauer fiel nichts Ungewöhnliches auf.

Der SZ-Jobcoach

Der Autor und Coach Vincent Zeylmans war jahrelang Abteilungsleiter in internationalen Konzernen und kennt deren Rekrutierungspolitik aus der Praxis.

Es ist durchaus denkbar, dass Ihr Auswahlverfahren in Form eines strukturierten Interviews stattfand. Ihre Gesprächspartner haben sich im Vorfeld auf gewisse Kompetenzen und einen Gesprächsablauf geeinigt, der die Bewerber vergleichbar macht. Wenn das Gespräch gut verlaufen ist, haben Sie mit Ihren Antworten überzeugt. Und vielleicht haben Sie auch einen sympathischen Eindruck hinterlassen. So kann es sein, dass in diesem fokussierten Verfahren der Gorilla, Ihre Lücke im Lebenslauf, gar nicht aufgefallen ist.

Sie geben keinen Hinweis darauf, wie lange diese erklärungsbedürftige Zeit zurückliegt. Für viele Arbeitgeber wäre sie relevant, wenn seither weniger als drei Jahre vergangen sind. Wenn Sie die letzten drei Jahre in einem festen Angestelltenverhältnis waren und der Grund Ihrer Wechselmotivation nachvollziehbar ist, deckt die positive Wirkung Ihrer letzten Station Fragen aus der Vergangenheit schon zu einem großen Teil zu. Das gilt erst recht, wenn die nicht dokumentierte Zeit fünf, sieben oder gar zehn Jahre zurückliegt. Dann spielen die Gründe für viele Unternehmen gar keine Rolle mehr.

Grundsätzlich stellen Sie im Vorstellungsgespräch Ihre Stärken und die Eignung für die Position dar. Sie zeigen Ihre fachliche und soziale Kompetenz, und - wenn es für die Stelle von Bedeutung ist - außerdem Ihre Führungsqualitäten. Selbstverständlich hat jeder Bewerber auch Schwächen. Diese hängen oft mit den Stärken zusammen. Der Entscheidungsfreudige tendiert dazu, Druck auszuüben und sich Fragen zu verschließen, um den Prozess abzukürzen. Der Harmoniebedürftige hält sich möglicherweise mit der eigenen Meinung zurück und wird als passiv oder gar als Jasager wahrgenommen. Jeder Kandidat sollte darauf vorbereitet sein, wie er möglichen Einwänden begegnen kann. Es ist jedoch sinnlos, proaktiv auf Schwachstellen hinzuweisen. Das Negative bleibt immer stärker hängen als eine Positiv-Aussage.

Das Wort "Bewerbung" kommt von "Werbung". Es wird erwartet, dass Sie sich von Ihrer besten Seite zeigen. Da sollten Sie keine Erklärungen, Entschuldigungen oder Antworten auf nicht gestellte Fragen nachliefern. Wenn Sie die Anforderungen an die neue Position zum größten Teil erfüllen, stehen Ihre Chancen gut. Kein Kandidat ist perfekt.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

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