Frage an den SZ-Jobcoach:Kann ich noch mal was völlig Neues ausprobieren?

Altenpflegerin Undine K. möchte sich beruflich umorientieren. Vorzuweisen hat sie unter anderem zehn Semester Heilpädagogik-Studium. Doch kann sie damit etwas anfangen - und wenn ja, was? Der SZ-Jobcoach gibt Tipps.

SZ-Leserin Undine K. fragt:

Ich bin 45 Jahre alt und examinierte Altenpflegerin. Aus verschiedenen Gründen habe ich mich für einen Berufswechsel entschieden. Ich kann Abitur und zehn Semester Studium der Heilpädagogik vorweisen, allerdings ohne Abschluss. Außerdem habe ich Erfahrung mit Bürotätigkeiten und in der Gastronomie. Wichtig sind mir normale Arbeitszeiten und eine leistungsgerechte Bezahlung. Können Sie mir bei der Neuorientierung helfen?

Madeleine Leitner antwortet:

Liebe Frau K., Altenpfleger gelten angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland als Mangelberuf mit sicherer Zukunft. Es gibt durchaus Menschen, die diesen Beruf aus persönlicher Überzeugung wählen. Viele geraten allerdings nichts ahnend in diesen Beruf und wählen ihn mehr oder weniger freiwillig. Aus Mangel an Alternativen sind das zum Beispiel perspektivlose Arbeitslose, Studienabbrecher oder bleibeberechtigte Flüchtlinge.

Eine Tätigkeit in der Altenpflege ist psychisch und körperlich anspruchsvoll - und wird vergleichsweise mäßig honoriert. Die von den Kostenträgern vorgegebenen Taktzeiten sind eng bemessen. Beschäftigte in pflegenden Berufen klagen oft darüber, dass sie den Bedürfnissen ihrer Patienten nicht gerecht werden können, vor allem auf der menschlichen Ebene. Gerade Idealisten trifft das hart, weil sie mit den hehren Vorstellungen von ihrem Beruf in Konflikt geraten. Oft sind Menschen im Pflegebereich daher ausgebrannt und unzufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen.

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Ich kann nur darüber spekulieren, worin genau die Gründe für Ihre jetzige Unzufriedenheit liegen. Sie nennen lediglich "verschiedene Gründe" für Ihren Wunsch nach einem Wechsel, konkret den Wunsch nach geregelten Arbeitszeiten und nach angemessener Bezahlung. Es gibt ganz unterschiedliche Varianten, die mehr oder weniger große Veränderungen bedeuten:

Variante eins: eine besser bezahlte Tätigkeit in der Pflege. Am einfachsten wäre es, nach privaten Einrichtungen zu suchen, die mehr auf Klasse statt auf Masse setzen. Wenn ein Arbeitgeber nicht an feste Tarife gebunden ist, könnten Sie dort womöglich eine bessere Bezahlung und erträglichere Arbeitsbedingungen aushandeln.

Wenn Sie sich vor allem von der Tätigkeit des Pflegens selbst lösen möchten, gäbe es mit Ihren bisherigen Qualifikationen mehrere denkbare Lösungen. Sie könnten sich in einer leitenden Funktion mehr mit organisatorischen und Personalfragen beschäftigen, in der Aus- oder Fortbildung von Pflegekräften tätig werden, Ihre Erfahrung mit Bürotätigkeiten ebenfalls nutzbringend einbringen, indem Sie in die Verwaltung eines Alters- oder Pflegeheims wechseln. Oder Sie könnten auf der anderen Seite tätig werden und die Abrechnungen von Pflegeleistungen bei den jeweiligen Kostenträgern kontrollieren, Einrichtungen zertifizieren oder Pflegekräfte aus dem Ausland anwerben und vermitteln.

All das wäre auf jeden Fall mit einem höheren Gehalt und angenehmeren Arbeitszeiten verbunden. Ob dies zu Ihrer Eignung, Neigung und fachlichen Qualifikation passt, kann ich natürlich nicht einschätzen.

Eine weitere Lösung könnte darin bestehen, als Pflegekraft bei einem oder mehreren betuchten Privathaushalten tätig zu werden. Manche Patienten und deren Angehörige legen Wert auf individuelle Betreuung und persönliche Ansprache und sind durchaus bereit, dafür tiefer in die Tasche zu greifen. Arbeitszeiten und Bezahlung könnten Sie direkt aushandeln. Wenn Sie zum Beispiel zusätzlich Ihre Erfahrungen aus dem Sekretariatsbereich einbringen können (Unterstützung bei organisatorischen Dingen, der Haushaltsführung oder bei der Erledigung der Korrespondenz), ließe sich auch ein höheres Gehalt rechtfertigen.

Durch die Kenntnisse aus Ihrem Studium der Heilpädagogik sind Sie übrigens nicht ausschließlich auf ältere Menschen festgelegt, sondern könnten Ihre Dienste auch Behinderten anbieten.

Variante zwei: formaler Abschluss Ihres Studiums. Sie haben Abitur und sogar zehn Semester Heilpädagogik studiert, allerdings ohne Abschluss. Besteht eine theoretische Chance, Ihr Studium noch abzuschließen? Mit einem Studium und einer verantwortungsvolleren Tätigkeit sind in der Regel auch ein deutlich höheres Gehalt und bessere Bedingungen verbunden. Diese Lösung wäre auch mit weniger Aufwand verbunden als ein komplett neues Studium der Pflegewissenschaften.

Variante drei: ein Berufswechsel. Hier sind der Phantasie theoretisch zunächst keine Grenzen gesetzt, außer durch die beiden von Ihnen genannten Kriterien (reguläre Arbeitszeit, angemessene Bezahlung). Bedenken Sie aber, dass Sie als Angestellte mit anderen Mitbewerbern in Konkurrenz treten, die bereits Berufserfahrung haben. Seiteneinsteiger haben es daher oft schwerer, Fuß zu fassen. Denken Sie daher auch an selbständige Varianten.

Falls Sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in Ihrem bisherigen Beruf arbeiten können, wäre es unter Umständen möglich, ganz offiziell eine Umschulung zu absolvieren. Hier gibt es allerdings bestimmte Vorgaben - nicht für jeden Wunsch wird auch Bedarf gesehen.

Entwickeln Sie daher zunächst einige Alternativen, die für Sie generell in Frage kommen. Versuchen Sie anschließend unbedingt, Einblicke in den Alltag dieser Berufe zu gewinnen. Danach können Sie besser beurteilen, ob sie eine echte Option für Sie darstellen.

Madeleine Leitner ist Diplom-Psychologin und hat als Therapeutin in Kliniken, als Gerichtsgutachterin und Personalberaterin für große Konzerne gearbeitet. Heute ist sie selbständige Karriereberaterin in München.

Haben Sie auch eine Frage zu Bewerbung, Berufswahl, Etikette, Arbeitsrecht, Karriereplanung oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten beantworten ausgewählte Fragen im Wechsel. Ihr Brief wird selbstverständlich anonymisiert.

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