Frage an den SZ-Jobcoach:Ich fühle mich aussortiert - was soll ich tun?

Nach einem Burn-out kann Bernd K. seinen alten Job nicht mehr machen und ist an eine andere Stelle in seiner Firma versetzt worden. Dort behandelt man ihn jedoch wie Luft. Soll er kündigen?

SZ-Leser Bernd K. fragt:

Ich bin 50 Jahre alt und seit 20 Jahren in einem großen Unternehmen im Wechselschichtdienst beschäftigt. Bislang ohne größere Ausfälle oder Fehlzeiten. Nach einem Burn-out im letzten Herbst erhielt ich ein ärztliches Attest, das mir künftig den Schichtdienst aus gesundheitlichen Gründen untersagt. Ich habe meinen Arbeitgeber umgehend informiert und es wurde ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) angestoßen. Erst nach sieben Monaten und Druck meinerseits fand sich ein neuer Arbeitsplatz im Haus für mich. Dort werde ich nun wie das fünfte Rad am Wagen behandelt. Keine Aufgaben, kein Eintrag im Dienstplan. Die Stelle sei haushaltstechnisch immer noch im alten Bereich angesiedelt, sagt mein neuer Chef, daher sei ich "nun mal nicht Mitglied des Teams". Ich fühle mich aussortiert und abgeschoben. Soll ich kündigen? Oder weiter still erdulden?

Christine Demmer antwortet:

Lieber Herr K., Betriebliches Eingliederungsmanagement, kurz BEM, bedeutet: Der Arbeitgeber muss mithelfen, dass ein länger oder wiederholt erkrankter Mitarbeiter wieder auf die Beine kommt. Er muss sich also überlegen, mit welchen Leistungen oder Hilfen er einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorbeugen kann. Wie diese Lösung im Detail auszusehen hat, schreibt der Gesetzgeber nicht vor.

Der SZ-Jobcoach

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin. Sie ist Managementberaterin, Coach und Autorin zahlreicher Sachbücher.

Mancher Arbeitsplatz lässt sich umbauen. Oder die Arbeitszeit wird reduziert und mit der Zeit stufenweise bis zum vereinbarten Soll ausgedehnt. Oder es wird eine andere Aufgabe im Betrieb gefunden. Was auch immer der Arbeitgeber vorschlägt: Die angebotene Maßnahme soll dem erkrankten Mitarbeiter helfen, einen - nicht unbedingt den bisherigen! - Arbeitsplatz im Betrieb zu sichern.

Ein BEM kann durchaus mit hohen Kosten verbunden sein. Denken Sie an jemanden, der erblindet oder nach einem Unfall auf den Rollstuhl angewiesen ist. Um gute Leute zu halten, bauen gute Arbeitgeber gerne Türschwellen ab oder installieren Computer mit Braille-Displays. Sie könnten es sich leicht machen und den Mitarbeiter krankheitsbedingt kündigen. Aber ein Chef, der vor der krankheitsbedingten Kündigung seines Mitarbeiters kein BEM durchführt, ist einem erheblichen Risiko ausgesetzt, einen nachfolgenden Kündigungsschutzprozess zu verlieren. Das nur zur Interessenlage.

Niemand wird gezwungen, den Vorschlag des Arbeitgebers anzunehmen. Sie haben offenbar zugestimmt, ohne genau zu wissen, was Sie in der neuen Stelle erwartet. Das konnten Sie möglicherweise zum damaligen Zeitpunkt auch noch nicht. Tatsache ist aber, dass Sie sich nun kaltgestellt fühlen. Sie sind sogar so unzufrieden, dass Sie an eine Kündigung denken.

Spielen Sie in Gedanken durch, was dann folgen würde: Bewerbungen schreiben, Vorstellungsgespräche führen, erklären müssen, warum Sie aus einer sicheren Stelle heraus gekündigt haben und so weiter. Wenn Ihnen Ihre Arbeitszufriedenheit den Aufwand wert ist und wenn Sie das Risiko für gering halten, längere Zeit ohne Arbeit zu sein, dann werfen Sie hin. Vorher sprechen Sie aber bitte noch einmal mit Ihrem Chef, mit Ihrer Familie und mit dem Betriebsrat. Vielleicht wissen die ja noch eine andere Lösung.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: