Frage an den SZ-Jobcoach:Exmatrikuliert - was soll ich jetzt tun?

Valentin K. ist wegen einer nicht bestandenen Prüfung aus dem Studium geflogen. Der SZ-Jobcoach sagt, welche Fragen sich der 23-Jährige jetzt stellen sollte - und warnt vor Panik.

SZ-Leser Valentin K. fragt:

Ich werde demnächst 23 Jahre alt und habe bis vor Kurzem an der Hochschule Osnabrück Medieninformatik studiert, wurde aber nach einer endgültig nicht bestandenen Prüfung exmatrikuliert. Als Kurzschlussreaktion habe ich mich jetzt an einer anderen Hochschule beworben und wurde überraschend angenommen. Allerdings in einem anderen Teilgebiet der Informatik. Daher fange ich jetzt wieder im ersten Semester an.

Meine Frage: Bin ich zu alt, um noch mal ein zweites Studium zu beginnen? Oder anders: Sollte ich mir lieber einen Job oder einen Ausbildungsplatz suchen?

Madeleine Leitner antwortet:

Lieber Valentin K., das Schlimmste wäre jetzt blinder Aktionismus. Mit Ihrer Frage zäumen Sie das Pferd von hinten auf. Eine Ausbildung ist normalerweise kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck für eine spätere Tätigkeit. Und die sollte Ihnen zunächst einmal klar sein. Spätestens seit dem unfreiwilligen Ende Ihres Studiums scheint Ihr Ziel aus dem Fokus geraten zu sein. Daher sollten Sie sich zunächst folgende Fragen stellen:

Sind Sie eher zufällig oder bewusst in diesen Bereich gegangen? Haben Sie genügend Einblick in den Berufsalltag, um beurteilen zu können, ob Ihre Vorstellungen mit der Realität übereinstimmen? Wenn das nicht der Fall ist, sollten Sie sich zunächst noch einmal Gedanken machen, ob Sie generell auf dem richtigen Weg sind. Möchten Sie zum Beispiel mehr in den technischen oder in den gestalterischen Bereich gehen?

Wenn Sie sich aber Ihres Ziels sicher sind, stellt sich die nächste Frage: Was sollten Sie jetzt tun? Bei Bildungsthemen haben die Bundesländer die Hoheit. Vielleicht können Sie doch noch in einem anderen Land mit überschaubarem Aufwand in Ihrem Fach einen Abschluss erwerben? Bei einigen Studiengängen könnte Ihnen zumindest ein Teil der Leistungen anerkannt werden. Haben Sie schon einmal an eine private Hochschule oder ein Auslandsstudium gedacht? Erkundigen Sie sich zum Beispiel noch einmal genauer bei staatlichen und privaten Fachschulen nach Studiengängen für Druck- und Medientechnik und weiteren verwandten Ausbildungsgängen.

Sollten Sie allerdings definitiv vor dem Aus stehen, ist in Ihrem Fall die Frage nach dem Alter durchaus berechtigt. Die Branche, in der Sie sich bewegen, ist ausgesprochen jung und hat ein frühes Verfallsdatum. Daher können Sie versuchen, auch ohne formalen Abschluss in Ihrem Bereich Arbeit zu finden. Sowohl die Informatik als auch die Medien sind traditionell Felder, in denen es viele Seiteneinsteiger und Studienabbrecher gibt. Weiterqualifizieren können Sie sich auch noch später.

Wenn Sie aber lieber auf Nummer sicher gehen und unbedingt zunächst einen Abschluss machen möchten, sollten Sie einen eng verwandten Ausbildungs- oder Studiengang wählen, der zu Ihrem Ziel passt. Den Berufsabschluss als Fachinformatiker und als Mediengestalter können Sie sogar eventuell mit einer verkürzten Ausbildung innerhalb von zwei Jahren erwerben.

Am besten finden Sie in Gesprächen mit Praktikern aus diesem Bereich heraus, was üblich ist: Welche Ausbildungen haben Ihre Gesprächspartner absolviert? Gibt es in ihrem Umfeld auch Berufstätige ohne formalen Abschluss? Haben sie dadurch mittel- und langfristig Nachteile? Welche Erfahrungen gibt es mit Möglichkeiten, sich auch später noch mal berufsbegleitend weiterzuqualifizieren? Was halten diese Insider für wichtiger: praktische Erfahrung oder einen formaler Abschluss? Diese Informationen helfen Ihnen dabei, den nächsten Schritt zu tun und den Weg zu Ihrem Ziel zu finden.

Abgesehen davon stellt sich für mich die Frage, warum Sie überhaupt im Studium Schiffbruch erlitten haben. Viele Menschen haben Probleme mit dem Zeit- und Selbstmanagement oder leiden unter Prüfungsangst. Mit dieser Problematik könnten Sie bei jeder anderen Ausbildung wieder konfrontiert werden. Um dieses Thema in Angriff zu nehmen, wenden Sie sich am besten an die Psychologische Beratungsstelle Ihrer Hochschule oder an einen qualifizierten Psychotherapeuten.

Madeleine Leitner ist Diplom-Psychologin und hat als Therapeutin in Kliniken, als Gerichtsgutachterin und Personalberaterin für große Konzerne gearbeitet. Heute ist sie selbständige Karriereberaterin in München.

Haben Sie auch eine Frage zu Bewerbung, Berufswahl, Etikette, Arbeitsrecht, Karriereplanung oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten beantworten ausgewählte Fragen im Wechsel. Ihr Brief wird selbstverständlich anonymisiert.

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