Frage an den SZ-Jobcoach:Darf ich zwei Vollzeitjobs gleichzeitig haben?

Lesezeit: 2 min

Julia W. hat einen neuen Job und ihrem bisherigen Arbeitgeber gekündigt. Dank Resturlaub könnte sie schon einen Monat früher ihre neue Aufgabe beginnen. Doch was nach einer guten Lösung klingt, ist rechtlich heikel.

SZ-Leserin Julia W. fragt:

Ich habe meinen Job gekündigt, weil ich ein besseres Angebot bekommen habe. Die Kündigungsfrist im alten Job beträgt drei Monate, doch der neue Chef braucht mich so schnell wie möglich. Ich habe noch Resturlaub, ein paar Tage aus Überstunden, und es fallen Feiertage in den Zeitraum der Kündigungsfrist, sodass ich theoretisch früher verfügbar wäre. Nun meine Frage: Kann ich einen Monat lang zwei Vollzeitverträge parallel haben? Bei dem alten Arbeitgeber wäre ich nicht anwesend, beim neuen könnte ich bereits beginnen. Nebenbeschäftigungen muss ich eigentlich anmelden, allerdings ist der Vertrag ja schon gekündigt. Welche Konsequenzen haben die beiden Beschäftigungen auf Versicherungen?

Ina Reinsch antwortet:

Liebe Frau W., aus arbeitsrechtlicher Sicht muss ich Ihnen von diesem Vorhaben abraten. Es klingt zwar nach einer eleganten Lösung, mit der auf den ersten Blick allen gedient ist. Rechtlich ist das Ganze aber nicht zulässig.

Nach Paragraf 8 des Bundesurlaubsgesetzes darf ein Arbeitnehmer während des Urlaubs keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. Der Grund: Im Urlaub soll sich der Mitarbeiter erholen und regenerieren. Das dient letztlich auch der Erhaltung seiner Arbeitskraft. Er darf also keine selbständige oder unselbständige Arbeit ausüben, mit der er primär Geld verdient und die seine Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt. Leichte Ausgleichstätigkeiten in geringem Umfang, die nur geringe Belastungen verursachen, sind erlaubt. Dazu kann etwa die Mithilfe eines ansonsten im Büro beschäftigten Mitarbeiters bei der Weinernte im Familienbetrieb zählen, selbstverständlich aber auch ehrenamtliche Arbeit, Nachbarschaftshilfe und Werkeln im eigenen Haus. Die Erwerbstätigkeit widerspricht dem Urlaubszweck aber immer dann, wenn sie annähernd in demselben zeitlichen Umfang wie der eigentliche Job wahrgenommen wird und den Beschäftigten zur Arbeitsleistung verpflichtet.

Ihr Verhalten könnte Ihr bisheriger Arbeitgeber zum Anlass nehmen, Ihnen fristlos zu kündigen. Das klingt zwar widersinnig, da Sie bereits gekündigt haben. Die fristlose Kündigung würde das Arbeitsverhältnis aber sofort beenden. Zudem kann Ihr Arbeitgeber von Ihnen verlangen, die Zweittätigkeit zu unterlassen, Sie können sich ihm gegenüber unter Umständen sogar schadensersatzpflichtig machen. Außerdem kann sich der Rauswurf negativ in Ihrem Arbeitszeugnis widerspiegeln. Das sollten Sie bedenken.

Dass Ihr Vertrag bereits gekündigt ist, ändert nichts daran, dass Sie Nebentätigkeiten anmelden müssen. Diese Verpflichtung gilt bis zum Ende Ihres Vertragsverhältnisses. Versicherungsrechtlich wäre das Ganze dagegen eher unproblematisch: Sollten Sie einen Arbeits- oder Wegeunfall haben, kommt es darauf an, für welchen der beiden Arbeitgeber Sie gerade tätig waren. Auch Probleme mit der Krankenkasse sind nicht zu erwarten, sie würde allenfalls doppelte Beiträge einziehen. Allerdings würde Ihr neuer Job für die Zeit der Überschneidung unter die Steuerklasse VI fallen.

Vor dem Hintergrund der arbeitsrechtlichen Folgen Ihres Vorhabens sollten Sie eine offene und einvernehmliche Lösung mit beiden Arbeitgebern und damit einen sauberen Abgang und Neustart anstreben. Ihr Fall ist kein Einzelfall, auch andere Mitarbeiter müssen sich beim Jobwechsel an Kündigungsfristen halten. Das Problem dürfte in der Personalabteilung Ihres neuen Arbeitgebers also bekannt sein. Vielleicht ist Ihr neuer Chef ja bereit, einen Monat auf Sie zu warten? Anderenfalls könnten Sie mit Ihrem ehemaligen Chef darüber verhandeln, ob er Sie früher entlässt, etwa mit einem Aufhebungsvertrag.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de . Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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