Frage an den SZ-Jobcoach:Darf ich den Chef öffentlich kritisieren?

Martin Z. ist unzufrieden mit der neuen Geschäftsleitung in seiner Firma. Er überlegt, potenzielle neue Arbeitnehmer im Internet auf die Missstände aufmerksam zu machen. Doch wie weit darf er dabei gehen?

SZ-Leser Martin Z. fragt:

Unsere Firma hat vor einiger Zeit eine neue Geschäftsleitung bekommen. Seitdem ist meine Zufriedenheit mit der Arbeit stark gesunken. Das Betriebsklima leidet sehr unter der wenig wertschätzenden Art der Chefetage und diversen Umstrukturierungsmaßnahmen, die seither in Angriff genommen wurden. Ich bin der Meinung, dass dies ruhig auch andere wissen sollten, die sich hier vielleicht bewerben wollen.

Wie weit dürfte ich bei einer Beurteilung meiner Firma auf einem Arbeitgeberbewertungsportal im Internet gehen? Und kann der Chef irgendwie herausfinden, wer die Bewertung geschrieben hat?

Ina Reinsch antwortet:

Lieber Herr Z., Arbeitgeberbewertungen im Internet erfüllen durchaus einen guten Zweck - nämlich Bewerbern jenseits der offiziellen Darstellung einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen. Viele Unternehmen profitieren von guten Bewertungen und konstruktiver Kritik. Auf Schimpftiraden oder verdrehte Tatsachen reagieren viele Arbeitgeber aber empfindlich. Was Sie schreiben, sollte sich daher im rechtlich zulässigen Rahmen bewegen.

Wahre Tatsachen dürfen selbstverständlich sachlich geschildert werden. Die Grenze ist allerdings dort erreicht, wo es um private Informationen über eine Person geht. So sind Details aus dem Intimleben des Chefs absolut tabu. Und auch an Einzelheiten aus der Privatsphäre dürfte aus rechtlicher Sicht kein Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestehen; dieses wird nur manchmal bei Prominenten bejaht.

In der Regel geht es niemanden etwas an, was für ein Auto die Chefin fährt oder in was für einem Haus der Geschäftsführer wohnt. Dass unwahre Tatsachen nicht verbreitet werden dürfen, versteht sich von selbst. So kann ein Unternehmen dagegen vorgehen, wenn ein Mitarbeiter behauptet, die gesetzlichen Arbeitszeitvorgaben würden regelmäßig überschritten - und das nachweislich nicht stimmt.

Meinungsäußerungen sind dagegen zulässig, solange sie sachlich vorgetragen werden. So kann ein Mitarbeiter in einer Bewertung durchaus schreiben, dass das Betriebsklima schlecht ist und das Essen in der Kantine nicht schmeckt. Schmähkritik und Beleidigungen sind dagegen verboten.

An diesem Punkt wird allerdings schnell klar, dass die Abgrenzung zwischen "erlaubt" und "verboten" in der Praxis gar nicht so einfach ist. Stellt die Äußerung "Die Firma zahlt schlecht" nun eine Meinungsäußerung oder eine Tatsachenbehauptung dar? Und wenn es eine Tatsachenbehauptung ist: Ist sie wahr oder falsch?

Daher mein Rat: Bemühen Sie sich bei solchen Bewertungen um Sachlichkeit und halten Sie sich an die Wahrheit. Sollte eine Äußerung tatsächlich Anstoß erregen, wird sich der Portalbetreiber zunächst an Sie wenden und um eine Stellungnahme bitten. Nach einer eingehenden Prüfung wird er entscheiden, ob er die Äußerung im Netz lässt oder entfernt. Der Schutz Ihrer Identität sollte dabei gewährleistet sein.

Nach der derzeit herrschenden Rechtsprechung hat der Arbeitgeber nämlich keinen Anspruch darauf, zu erfahren, wer der Autor der Äußerungen ist. Das kann der Chef letztlich nur über den Umweg einer Strafanzeige und anwaltliche Einsicht in die Ermittlungsakten herausfinden. Dazu müsste aber auch eine Straftat wie beispielsweise eine Beleidigung vorliegen.

Sollten Sie als Autor unzulässiger Äußerungen ermittelt werden können, wird es allerdings ernst: Das Unternehmen kann von Ihnen Unterlassung und Widerruf sowie Schadensersatz verlangen. Betroffene Personen können daneben auch eine Geldentschädigung geltend machen. Daneben drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung. Doch das alles sollte Sie nicht von sachlicher und gerechtfertigter Kritik abhalten.

Ina Reinsch hat Jura in München und Zürich studiert. Heute lebt sie als Rechtsanwältin, freie Journalistin, Autorin und Referentin in München und befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeitsrecht.

Haben Sie auch eine Frage zu Bewerbung, Berufswahl, Etikette, Arbeitsrecht, Karriereplanung oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten beantworten ausgewählte Fragen im Wechsel. Ihr Brief wird selbstverständlich anonymisiert.

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