Frage an den Jobcoach:Wie gehe ich mit einer Besserwisserin im Büro um?

Petra T. hat Probleme mit einer Mitarbeiterin, die mit ihrer eigenwilligen Vorgehensweise ständig die Arbeitsabläufe stört.

SZ-Leserin Petra T. fragt:

Ich leite den Import eines international ausgerichteten Unternehmens und führe acht Mitarbeiter, deren Aufgabenfelder länderspezifisch zugeordnet sind. Jeweils zwei Mitarbeiter vertreten sich gegenseitig. Mit einer Mitarbeiterin hat es immer wieder Konflikte gegeben, wenn sie ihren Kollegen vertreten hat. Sie bewertet Situationen nach anderen Kriterien als ihre sieben Kollegen und leitet daraus auch andere Handlungsvorgaben ab. Ihr Kollege will nicht mehr von ihr vertreten werden, weil sie seine Kunden verunsichere und alles durcheinanderbringe. Sie sieht es so, dass die Kollegen von unrealistischen Planungen ausgehend die falschen Prozesse aufgesetzt haben. Sie glaubt, dass die Performance sehr viel besser wird, wenn alle so vorgehen wie sie, und sieht sich zukünftig als meine Stellvertreterin. Ich halte unsere derzeitigen Prozesse für zielführend und betrachte sie als eine eigenwillige, schwache Mitarbeiterin. Mit meiner Kritik kann ich bei ihr nicht landen, weil sie davon ausgeht, dass ich ihre Sicht nicht richtig verstehe. Sonst müsste ich ihr zustimmen. Wie bringe ich sie zur Einsicht?

Georg Kaiser antwortet:

Liebe Frau T., zäumen Sie das Pferd nicht von hinten auf! Ihre primäre Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Prozesse, die Sie für zielführend halten, umgesetzt werden - von allen Mitarbeitern. Natürlich idealerweise so, dass alle vom Sinn des Vorgehens überzeugt sind. Doch das gelingt nicht immer. Vermutlich haben Sie in Ihrem Berufsleben auch Unternehmensentscheidungen mittragen und umsetzen müssen, die Sie von sich aus so nie getroffen hätten. Wenn Ihre Mitarbeiterin trotz guter Erklärung den Sinn mancher Prozesse nicht einsieht, ist es nicht Ihre primäre Aufgabe, sie von den bestehenden Prozessen zu überzeugen. Ihre Mitarbeiterin ist verpflichtet, diese Prozesse einzuhalten. Es sei denn, es gelingt ihr, Sie dafür zu begeistern, die Prozesse umzugestalten oder neu aufzusetzen.

Der SZ-Jobcoach

Georg Kaiser ist Coach und Wirtschaftsmediator. Er arbeitet als Personalreferent in einem mittelständischen Unternehmen in Bremen mit den Schwerpunkten Führungskräfteentwicklung, Team- und Organisationsentwicklung.

Bestehen Sie darauf, dass die Mitarbeiterin sich an die für alle verbindlichen Vorgehensweisen hält und unterbinden Sie unabgestimmte Alleingänge. Signalisieren Sie gleichzeitig Offenheit für Verbesserungsideen. Setzen Sie sich mit den Vorschlägen Ihrer Mitarbeiterin auseinander. Sind sie plausibel? Bergen sie ein umsetzbares Potenzial der Weiterentwicklung? Falls das so ist, modifizieren Sie die Prozessabläufe und machen Sie die Neuerungen für alle Mitarbeiter verbindlich.

Wenn Sie keine Vorteile in den Vorschlägen der Mitarbeiterin sehen, kann es ratsam sein, selbst in Ruhe eine Reflexionsschleife zu durchlaufen, bevor Sie sich festlegen. Die eigene Sicht kann so eingefahren sein, dass man innovative Ideen, die das bisherige Vorstellungsvermögen überschreiten, nicht sofort erkennt. Sehen Sie nach eingehender Prüfung keinen Nutzen in den Vorschlägen, erklären Sie Ihre Sicht.

Ob Sie Ihre Mitarbeiterin überzeugen können, liegt nur zu einem - allerdings geringen - Teil in Ihrer Hand. Einsicht ist etwas höchst Subjektives und resultiert aus mehreren Grundkomponenten. Sie ist abhängig von der Perspektive, aus der eine Person etwas betrachtet, ihrer Motivation, ihren persönlichen, sozialen und kulturellen Vorerfahrungen und ihrem Erkenntnis- und Wissensstand. Zur Einsicht bringen können Sie nur Menschen, deren Grundkomponenten den Ihren ziemlich ähnlich sind. Sich konstruktiv auseinandersetzen kann man oft nur dann, wenn man sich im Grunde ziemlich einig ist.

Eventuell bleibt es so, dass Sie aneinander vorbeireden. Im Hinblick auf die Prozesse verlangt das von Ihrer Mitarbeiterin, dass sie sich diese zu eigen macht und konsequent umsetzt. Reflektieren Sie mit ihr gemeinsam, inwieweit das für sie möglich und ratsam ist, obwohl es ihrer eigenen Auffassung zuwiderläuft. Und verdeutlichen Sie ihr auch Ihre Gründe, warum Sie nicht als Stellvertreterin infrage kommt. Sie geben ihr durch diese Konfrontation von Selbst- und Fremdwahrnehmung die Chance zur Selbstreflexion.

Gehen Sie in solchen Gesprächen ganz konsequent der Kontroverse aus dem Weg, wer recht hat und wer nicht. Stellen Sie beide Sichtweisen als anders, aber gleichermaßen gültig hin. Der Streit um richtig und falsch führt zum Kampf und zu Sieg oder Niederlage. Er verhindert Verständnis und konstruktive Klärungen.

Wie Ihre Mitarbeiterin die Chance zur Selbstreflexion nutzt und welche Schlussfolgerungen sie daraus zieht, liegt allein in ihrem Wirkungsfeld. Vielleicht modifiziert sie ihre Selbstwahrnehmung. Vielleicht kommt sie zur Erkenntnis, dass ihre Fähigkeiten im Unternehmen zu wenig erkannt und gewürdigt werden und sucht sich ein anderes Tätigkeitsfeld. Wenn sie weiterhin die bestehenden Prozesse unterläuft, müssen Sie handeln.

Ihre Frage an den SZ-Jobcoach

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