Frage an den Jobcoach:Wie gehe ich mit dem Alkoholproblem einer Mitarbeiterin um?

Frank S. macht sich Sorgen um eine Mitarbeiterin, die nicht die gewohnte Leistung bringt. Er befürchtet ein Alkoholproblem und fragt den SZ-Jobcoach, wie er darauf reagieren soll.

SZ-Leser Frank S. fragt:

Ich leite eine soziale Einrichtung mit mehr als hundert Mitarbeitern und arbeite eng mit der Leiterin unserer Verwaltung zusammen, die ich als tadellose, fast etwas überkorrekte Kollegin kennengelernt habe. In letzter Zeit häufen sich allerdings die Unzuverlässigkeiten, sie vergisst Termine, ist plötzlich nicht mehr auffindbar, verwechselt Vorgänge. Im letzten halben Jahr war sie zwei Mal für mehrere Wochen krankgeschrieben. Nun ist mir zu Ohren gekommen, dass sie ein Alkoholproblem hat. Mein Versuch, dies vorsichtig zu thematisieren, wies sie barsch zurück. Da ich wegen einiger wichtiger und sehr arbeitsintensiver Projekte in den nächsten Monaten stark auf die Verwaltungsleiterin angewiesen bin, belastet mich die Situation. Wie gehe ich weiter vor?

Georg Kaiser antwortet:

Lieber Herr S., Sie stehen vor Herausforderungen, für die Sie eine Verwaltungschefin mit dem verlässlichen Leistungsniveau brauchen, das sie in der letzten Zeit nicht mehr hat. Um dorthin zurückzufinden, muss sie die Schwierigkeiten überwinden, die sie von ihrem Weg abgebracht haben. Sprechen Sie das Thema Alkoholabhängigkeit offen an, und bieten Sie seitens des Unternehmens Unterstützung bei der Bewältigung der Suchterkrankung an. Erkundigen Sie sich bei Ihrer Personalabteilung. Die meisten Unternehmen haben Prozesse der Begleitung initiiert. Ansonsten finden Sie bei Suchtberatungsstellen und Krankenkassen Empfehlungen für Prozessabläufe im Umgang mit suchterkrankten Mitarbeitern. Ziel einer derartigen Begleitung ist es, die Mitarbeiterin im Unternehmen zu halten und sie zu bewegen, sich konstruktiv mit ihrer Sucht auseinanderzusetzen.

Der SZ-Jobcoach

Georg Kaiser unterstützt Führungskräfte bei Konflikten im Arbeitsalltag und der Entwicklung ihres Personals. Er arbeitet als Wirtschaftsmediator, Managementtrainer, Coach, Supervisor und Gestalttherapeut in Bremen.

Nicht immer führen derartige Gespräche zum Erfolg. Alkoholabhängigkeit gilt als Krankheit ohne Krankheitseinsicht. Das Problem wird abgestritten. Vor sich selbst mit dem Gedanken: "Wenn ich will, kann ich ja jederzeit aufhören." Gegenüber anderen mit schroffer Abwehr, mit Vorwürfen oder mit Unverständnis.

Für den Fall, dass Ihre Verwaltungsleiterin konsequent behauptet, kein Alkoholproblem zu haben, verlagern Sie das Thema auf ihre Unzuverlässigkeit und die unzureichenden Leistungen. Sagen Sie ihr freundlich, aber bestimmt, dass sie ihrer Aufgabe derzeit nicht gewachsen ist. Vereinbaren Sie mit ihr klare Aufgabenpakete, die sie innerhalb gesetzter Fristen erledigen soll. Halten Sie diese Vereinbarungen schriftlich fest. Verdeutlichen Sie ihr die Erwartungen, die Sie an sie stellen, und zeigen Sie die Konsequenzen auf, die auf sie zukommen, wenn ihr Engagement und ihr Leistungsvermögen auf dem derzeitigen Niveau bleiben. Erlauben Sie sich, unbequem zu werden, und halten Sie die dabei auftretenden Spannungen aus.

Das mag sich rau und rücksichtslos anhören - gerade in einem Berufsfeld, dessen Ziel die Unterstützung und soziale Integration von hilfsbedürftigen Menschen ist. Vielleicht werden auch einige Ihrer Mitarbeiter ein solches Vorgehen als zu rücksichtslos interpretieren und argumentieren, die Verwaltungschefin brauche doch Hilfe und keinen Druck oder gar Rausschmiss. Falls es so kommt, fragen Sie diese Mitarbeiter, wer denn die Aufgaben bearbeiten soll, die die Chefin in ihrer derzeitigen Verfassung nicht schafft.

Die Burnout-Gefahr ist bei Mitarbeitern, die neben ihrem eigenen Pensum längere Zeit die Arbeit anderer Kollegen mit erledigen, besonders hoch. Machen Sie sich und Ihren Mitarbeitern klar: Ihre Verwaltungschefin ist Mitarbeiterin, nicht Kunde oder Klient. Um gute Sozialarbeit leisten zu können, müssen sich alle auf ihre Kollegen verlassen können. Wenn Sie beginnen, die eigenen Mitarbeiter sozialpädagogisch zu betreuen, entstehen Rollenkonflikte - und nichts wird besser.

Eine offene, wertschätzende Konfrontation gibt Orientierung. Der drohende Verlust des Arbeitsplatzes und die damit verbundene existenzielle Gefährdung kann die Verwaltungschefin wach rütteln, sich aufrichtig mit den Ursachen Ihres Leistungsabfalls auseinanderzusetzen. Wenn sie diesen Weg beschreitet und Offenheit signalisiert, sich zu bewegen, können Sie ihr eine Brücke bauen: Sollte es so sein, dass schwierige private Probleme die Ursache ihres Leistungsabfalls sind, können Sie Entlastung, Hilfe und Wiedereingliederungsmaßnahmen anbieten, etwa für den Fall, dass ein Entzug oder eine stationäre Therapie erforderlich werden sollte.

Bei der Krisenbewältigung können Sie Ihren Mitarbeitern gegenüber sozial sein. Fehlt allerdings die Bereitschaft, sich aktiv mit den Hintergründen des Leistungsabfalls auseinander zu setzen, bleiben Ihnen für den Fall, dass der Status Quo fortbesteht oder sich weiter verschlechtert, letztlich nur Maßnahmen wie Abmahnungen, Versetzung oder Entlassung.

Ihre Frage an den SZ-Jobcoach

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