Frage an den Jobcoach:Unglücklich im Studium - kann ich noch umsatteln?

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Christina T. ist auch nach fünf Jahren BWL nicht glücklich mit dem eingeschlagenen Weg. Vom Jobcoach will sie wissen, welche Optionen sie nun hat.

SZ-Leserin Christina T. fragt:

Ich bin 25 Jahre alt und habe nach dem Abitur den Rat meiner Eltern befolgt, BWL zu studieren. Nun mache ich das seit fünf Jahren, habe Praktika absolviert und Auslandserfahrung gesammelt, bin inzwischen im Master International Marketing and Sales. Doch ich bin unglücklich damit. Mein eigentlicher Wunsch war es immer, eine Schreinerlehre zu machen und daran ein Produkt- oder Industriedesign-Studium anzuschließen. Heute frage ich mich, ob es Sinn ergibt, doch noch den Weg des Möbeldesigners zu gehen.

Madeleine Leitner antwortet:

Liebe Frau T., bei der Suche nach dem richtigen Beruf gibt es einige grundlegende und hartnäckige Denkfehler. Sinn und Zweck einer Ausbildung ist der Beruf. Obwohl die Ausbildung im Idealfall auch Freude machen sollte, ist sie primär Mittel zum Zweck. Wichtig ist die spätere Tätigkeit. Die Suche nach der richtigen Ausbildung oder dem passenden Studiengang beginnt also logischerweise mit der Entwicklung konkreter beruflicher Ideen. Dabei sollte man sich nie auf eine einzige Idee fixieren, sondern gleich zu Beginn mindestens drei berufliche Optionen entwickeln. Eine davon ist Ihre Idee, später als Möbeldesignerin zu arbeiten.

Für die spätere Zufriedenheit im Job ist nicht der Beruf allein entscheidend. Meiner Erfahrung nach sind nur etwa drei von hundert beruflich Unglücklichen tatsächlich in einen ganz falschen Beruf geraten. Für das Wohl und Wehe sind meistens ganz bestimmte Aspekte verantwortlich, die mit der Tätigkeit verknüpft sind. Bei genauer Betrachtung stellt sich zum Beispiel heraus, dass sie in der falschen Firma sitzen, die falsche Position haben oder dass die Chemie mit dem Chef und den Kollegen nicht stimmt. Diese Dinge sind relativ leicht zu ändern, ohne dass man gleich den ganzen Beruf an den Nagel hängen muss.

Bestimmte Dinge sind aber grundlegender und später nur noch schwer zu verändern: die allgemeinen Berufsaussichten und das übliche Gehalt. Wenn Sie nicht Universalerbin oder Lebenskünstlerin sind, sollten Sie sich daher besser vorher ein paar Gedanken darüber machen, um nicht später eine große Überraschung zu erleben. Ihre Vorstellungen von einem Beruf können sich von der Realität sehr unterscheiden. Nachdem Sie drei bis fünf unterschiedliche berufliche Optionen und die wichtigsten Kriterien entwickelt haben, sollten Sie einen Realitätscheck machen. Nehmen Sie Ihre Ideen dabei noch einmal ganz genau unter die Lupe. Die besten Informationen über Berufe erhalten Sie direkt von Personen, die darin arbeiten. Anbieter von Ausbildungen, Chefs oder Personaler sind in dieser Hinsicht nicht unbedingt neutral.

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In Ihrem Fall sollten Sie sich also mit einigen Möbeldesignern unterhalten. Nutzen Sie dafür Ihre Kontakte und nehmen Sie Verbindung auf. Versuchen Sie herauszufinden, wie die Praktiker zu ihrem Beruf gekommen sind. Erkundigen Sie sich nach den Vor- und Nachteilen ihrer Tätigkeit. Und fragen Sie auch, was in dem Bereich in etwa finanziell zu erwarten ist. Wenn Sie sich mit mehreren Personen unterhalten, erhalten Sie auf diese Art wertvolle Informationen aus erster Hand.

Durch diese Recherche erhalten Sie eine einigermaßen realistische Einschätzung von der Tätigkeit, die Sie interessiert. Auf dieser Basis können Sie eine fundiertere Entscheidung treffen. Möchten Sie Ihre Idee weiterverfolgen oder besser doch nicht? Sie sollten nicht vorschnell resignieren und Ihren Traum vom Möbeldesign zu früh begraben. Unerfüllte Träume können Ihnen ein Leben lang nachhängen. Möglicherweise erweist er sich tatsächlich als der Himmel auf Erden. Vielleicht stellen Sie aber ernüchtert fest, dass Ihre Vorstellungen mit der Realität gar nichts zu tun haben. Dann können Sie sich mit einem guten Gefühl von einem vermeintlichen Traum verabschieden. Und zwar, bevor Sie erst eine aufwendige Ausbildung absolviert haben.

Da sich erfahrungsgemäß manche Ideen bei genauer Betrachtung in Luft auflösen, sollten Sie für diesen Fall von vornherein unbedingt weitere Alternativen im Ärmel haben. Bitte vergessen Sie aber nicht, auch diese einem Realitätscheck zu unterziehen.

In der Praxis gibt es oft mehrere Wege in einen bestimmten Beruf. Von den Praktikern haben Sie erfahren, wie diese zu ihrem Beruf gekommen sind. Sie wissen jetzt, welche Ausbildung wirklich zweckmäßig ist - und welche nicht. Vielleicht erfahren Sie bei Ihrer Recherche sogar von ganz anderen als den üblichen Wegen und müssen gar keine komplett neue Ausbildung machen.

Abgesehen davon könnte ein naheliegender Kompromiss in Ihrem Fall darin bestehen, Ihre Kenntnisse in Marketing und Sales in der Möbelbranche einzusetzen und von dort aus einen Seiteneinstieg zu versuchen. Oder Sie wenden sich beherzt anderen Ufern zu.

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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