Frage an den Jobcoach:Soll ich nach dem Master noch ein Praktikum machen?

Antonia T. fühlt sich nach ihrem Masterstudium bestens qualifiziert. Vom SZ-Jobcoach will sie wissen, wie der Berufseinstieg gelingen soll.

SZ-Leserin Antonia T. fragt:

Ich habe schnell studiert und meinen Masterabschluss in Sozialwissenschaften mit guten Noten gemacht, ich war im Ausland, kann Praxiserfahrung und ehrenamtliches Engagement vorweisen. Nun möchte ich im sozialen oder politischen Sektor oder in der Kommunikationsberatung arbeiten. Dort ist der Berufseinstieg allerdings sehr schwierig. Vor Kurzem habe ich mich initiativ auf eine Stelle beworben - ohne Erfolg. Man bot mir immerhin an, mich als bezahlte Praktikantin einzustellen. Das klingt zwar besser, als demnächst Hartz IV zu beziehen. Ich möchte mich aber auch nicht unter Wert verkaufen. Sollte man bei der Jobsuche im dritten Sektor einen solchen Einstieg tolerieren oder ablehnen, um weiterhin ernst genommen zu werden?

Vincent Zeylmans antwortet:

Liebe Frau T., es gibt immer Studiengänge, mit denen man konjunkturell bedingt relativ leicht den Einstieg ins Berufsleben findet. Vielleicht sind das derzeit Ingenieurwissenschaften oder Betriebswirtschaft. Sie haben sich für Sozialwissenschaften entschieden. Wenn Sie für diese Fachrichtung Leidenschaft und angeborene Fähigkeiten mitbringen, werden Sie hier auf lange Sicht berufliche Erfüllung finden - auch wenn sich der Einstieg zunächst mühsam gestaltet.

Der SZ-Jobcoach

Vincent Zeylmans war lange Abteilungsleiter in internationalen Konzernen und kennt deren Rekrutierungspolitik aus der Praxis. Heute lebt er als Buchautor, Karriere-Coach und Outplacement-Berater in Emmerich am Rhein.

Aber auch in Ihrem Bereich sind manche Branchen zugänglicher als andere. Die Politik bleibt häufig verschlossen, da gerade hier Beziehungen eine Rolle spielen. Die Kommunikationsberatung sucht vielfach Personen, die ihre Leistungen bereits unter Beweis gestellt haben, eventuell auch in angrenzenden Gebieten. Dagegen fällt es leichter, eine Stelle zum Beispiel im Gesundheitswesen zu finden, in Krankenhäusern etwa in der Angehörigenberatung, in Pflegeheimen oder derzeit in den Einrichtungen der Flüchtlingshilfe.

Es empfiehlt sich, strategisch vorzugehen. Bewerben Sie sich einerseits in Bereichen, in denen bekanntermaßen viele Stellen frei sind. Und seien Sie andererseits weiterhin initiativ. Das ist sinnvoll, denn der Großteil der Stellen wird nicht öffentlich ausgeschrieben. Daher führen Initiativbewerbungen häufig zum Erfolg, ebenso wie gut gepflegte Profile in sozialen Medien oder das Hinterlegen von Unterlagen in einer Lebenslaufdatenbank.

Nun zu Ihrer Frage: Der Einstieg in den Beruf ist immer eine Gratwanderung. Grundsätzlich ist es kein Fehler, wenn der Einstieg zeitnah erfolgt. Wichtig ist es, zunächst einmal Berufserfahrung zu sammeln. Daher kann auch eine befristete Stelle, ein Praktikantenjob oder ein Teilzeitangestelltenverhältnis sinnvoll sein - vor allem, wenn die Tätigkeit stimmt.

Solche Positionen können zum Sprungbrett in ein festes Angestelltenverhältnis werden. Das ist dann allerdings auch eine Notwendigkeit. Wenn auf ein Praktikum gleich das nächste Praktikum folgt, wird es schwierig, das Image des ewigen Praktikanten loszuwerden. Sie können jedoch gut argumentieren, dass Sie sich nach dem Studium für ein bezahltes Praktikum entschieden haben, weil das Aufgabengebiet interessant war. Sie wollten keine Zeit verlieren und praktische Erfahrungen im Alltag sammeln. Nun können Sie sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus bewerben. Das ist keine Voraussetzung, aber zumindest hilfreich.

Eine Absage auf eine Bewerbung um eine ausgeschriebene Stelle sollten Sie auf keinen Fall als eigenes Versagen interpretieren! Wenn Sie im Wettbewerb mit 50 anderen Bewerbern stehen, sind die Chancen, den Zuschlag zu bekommen, nun mal gering. Zumal wenn Sie berücksichtigen, dass in Bewerbungsverfahren niemals nur die Qualifikation den Ausschlag gibt. Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie im Bewerbungsprozess auch ein gewisses Volumen auf den Weg bringen müssen. 50 bis 100 Kontakte sind keine Seltenheit.

Ihre Frage an den SZ-Jobcoach

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