Forschung:Weich und wichtig

Für oder gegen einen Forschungsaufenthalt in Deutschland: Oft geben Angebote für Familie und Kinder den Ausschlag.

Katja Spross

(SZ vom 6.5.2003) Anne Bouloumié war eine der Auserwählten. Vor anderthalb Jahren gehörte die junge Französin zu jenen 29 hochqualifizierten Nachwuchsforschern aus aller Welt, die vom Bundesforschungsministerium und der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) mit dem Sofia-Kovalevskaja-Preis und dem stattlichen Preisgeld von 1,2 Millionen Euro ausgezeichnet wurden.

Einfach anders

Damit verließ die Physiologin das Institut National de la Santè et de la Recherche Médicale in Toulouse und wechselte an die Uniklinik der Universität Frankfurt am Main, um dort für drei Jahre ihren Forschungen zum Wachstum des menschlichen Fettgewebes nachzugehen - mit einer eigenen Arbeitsgruppe und frei von Haushaltssperren und bürokratischen Hindernissen.

Paradiesische Zustände für eine junge Wissenschaftlerin - und doch wird Anne Bouluoumié aller Voraussicht nach Ende nächsten Jahres mit ihrem Mann nach Toulouse zurück gehen. "In Deutschland ist es nicht einfach, sich als Forscherin zu behaupten", stellte die 35-Jährige jetzt zur Halbzeit ihres Forschungsaufenthaltes fest. Das Arbeitsklima sei wegen der großen Überzahl männlicher Kollegen "einfach anders", zudem konnten die Bouluoumiés nur mit großen Mühen eine Betreuung für ihr kleines Kind finden. In Frankreich, so das Fazit, sei das alles viel leichter.

Einmalige Gelegenheit

Bei Josef Käs gaben Familie und Kind dagegen gerade den Ausschlag für eine Rückkehr nach Deutschland. Der 41-jährige Experimentalphysiker ist Träger des Wolfgang Paul-Preises, der zweiten hoch dotierten Auszeichnung der Humboldt-Stiftung, die damit 14 Spitzenforscher für einen ebenfalls dreijährigen Aufenthalt in Deutschland gewann.

1,9 Millionen Euro, das Doppelte der Nobelpreis-Summe, brachte der Paul-Preis Käs ein, der bis dahin an der University of Texas an neuen Verfahren zur Früherkennung von Krebs forschte und kurz vor einem Wechsel nach Princeton stand. Dann aber entschied sich Käs für Leipzig. "Wir wollten unser Kind in Deutschland großziehen. Da kam mit dem Preis eine einmalige Gelegenheit und der Wechsel fiel mir leicht", berichtet Käs.

Dass bei allen wissenschaftlichen Kriterien auch immer "weiche" Faktoren wie die Betreuungsmöglichkeiten für den Nachwuchs darüber entscheiden, wo sich Spitzenforscher niederlassen - das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse, die die Humboldt-Stiftung und die Träger der beiden hoch dotierten Forschungspreise jetzt zur Halbzeit ihres Deutschland-Aufenthaltes in Bonn ziehen konnten. Die Zwischenbilanz fiel, das zeigten die Beispiele von Anne Bouluoumié und Josef Käs, schon in dieser Hinsicht gemischt aus.

Kurzer Traum

Wie auch insgesamt neben Lobeshymnen einige kritische Töne zu hören sind. "Der Paul-Preis ist ein Traum, aber ein kurzer Traum", sagt Josef Käs mit Blick auf die knapp dreijährige Laufzeit. Dies ist der größte Kritikpunkt aller Preisträger, vor allem weil es vielen nur schwer gelang, für diesen Zeitraum qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Insgesamt - so die Bilanz der Humboldt-Stiftung - sind in den Arbeitsgruppen der Paul- und Kovalevskaja-Preisträger 300 Wissenschaftler tätig. Von ihnen kommt mehr als die Hälfte ebenfalls aus dem Ausland.

Josef Käs etwa brachte 14 von seinen 17 Doktoranden aus den USA mit. Über sie will er nun dafür sorgen, dass die Leipziger Universität auch jenseits des Atlantiks bekannter wird. Genauso schwierig sei es allerdings, den deutschen Forscher-Nachwuchs von Leipzig zu überzeugen. "Es wird erwartet, dass ein guter Wissenschaftler in den USA geforscht hat", sagt Käs: "Das ist allerdings lächerlich. In der Biophysik ist Deutschland führend."

Lange Wirkung

Trotz solcher und anderer Probleme will das Bundesforschungsministerium die beiden Elite-Programme fortführen - wenn auch nicht noch einmal mit 47 Millionen Euro. Immerhin elf Preisträger bleiben dauerhaft in Deutschland, drei stehen in Berufungsverhandlungen, weitere elf bemühen sich um Weiterfinanzierung ihrer Arbeiten.

Die Preise sollten "als ungeheures Zugmittel für Forscher aus dem Ausland unbedingt weitergeführt werden", meint auch der Prorektor der Universität Leipzig, Helmut Papp. Selbst wenn die Forscher nicht für längere Zeit in Deutschland blieben, hätten sie doch hier ihre Ideen eingebracht, neue Akzente in der Forschung gesetzt und internationale Arbeitsgruppen gegründet. "Diese Faktoren", ist Papp überzeugt, "wirken lange nach".

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