Förderung von Flüchtlingen:"Zeigen, dass man es schaffen kann"

Schule für junge Flüchtlinge

Eine Schülerin nimmt in München an einem Unterricht für Flüchtlinge teil.

(Foto: dpa)

Tagrid Yousef ist promovierte Biologin und hilft Schulen, Flüchtlinge zu unterrichten. Ein Gespräch über Vorbilder und den Versuch, geflohenen Kindern einen Alltag, Struktur und Chancen zu bieten.

Von Johann Osel

Als Kind kam Tagrid Yousef Ende der Sechzigerjahre nach Deutschland, ihr Vater war palästinensischer Gastarbeiter. Über die Hauptschule ist sie schrittweise durch das Bildungssystem gegangen - bis zur promovierten Biologin. Danach hat sie als Lehrerin an einem Berufskolleg gearbeitet, mittlerweile leitet sie das Kommunale Integrationszentrum der Stadt Krefeld - und hilft den Schulen, Flüchtlinge zu unterrichten.

SZ: Frau Yousef, wenn Flüchtlinge nach der Erstaufnahme auf die Kommunen verteilt werden, greift die Schulpflicht. Wie geht es dann genau weiter?

Tagrid Yousef: Schon bald erhält die Familie eine Einladung zur Beratung, meistens mit Dolmetschern. Wir erkundigen uns nach der Schule im Heimatland, eventuell sind Zeugnisse vorhanden. Alles, was wir erfahren, kann helfen für unsere Fragen: Welche Schulart passt, wie ist es mit der Sprache, spielt das Kind Instrumente, ist es gut in einer Sportart? Das ist auch als Lebenshilfe gedacht. Und bei den Älteren natürlich: Welches Berufskolleg kommt vielleicht infrage, gibt es vielleicht ein technisches oder kaufmännisches Interesse?

Werden die Kinder dann in "Auffangklassen" geschickt, wie es sie vielerorts gibt, um die deutsche Sprache zu erlernen?

Natürlich ist Sprache der Schlüssel. Den Namen Auffangklasse finde ich nicht gut, besser ist Orientierungsklasse. Zuletzt haben wir es in Krefeld geschafft, alle Jugendlichen in reguläre Klassen zu bringen, an allen Schularten, auch an höheren. Sprachprobleme dürfen nicht dazu führen, dass wir Talente unterschätzen. Aus den Regelklassen werden sie für den Deutschunterricht, bis zu 20 Stunden pro Woche, zwar herausgenommen - aber in Fächern wie Musik bleibt man zusammen. Jedoch: Der Andrang wird immer größer, seit Sommer hatten wir über 200 Schulpflichtige jeden Alters. Das ist für eine Stadt wie Krefeld viel. Es werden jetzt verstärkt eigene Klassen eingerichtet, man darf auch das Klassenklima nicht durcheinanderbringen.

Sind Schulen und Lehrer nicht auch überfordert mit dem ganzen Thema?

Unsere Aufgabe ist es, Schulen zu unterstützen, mit Blick auf die pädagogische Arbeit. Es braucht verlässliche Anlaufstellen. An den Schulen selbst wären mehr Sozialarbeiter sinnvoll, erst recht, wenn die Kinder traumatisiert sind von der Flucht oder vom Krieg. Für Lehrer ist der Unterricht eine Herausforderung: die heterogenen Gruppen mit all den Muttersprachen. Hier müssen sie sehr individuell arbeiten. Was da geleistet wird, verdient wirklich Respekt.

Und die Väter und Mütter? Wie steht es um deren Bildungsbewusstsein?

Das System muss transparent sein, nicht wie ein Wald, in dem man resigniert. Wie soll sich ein Flüchtling im deutschen System auskennen? Schulpflicht ist nicht nur eine Pflicht, sondern ein Recht auf Schule. Es geht um Chancen. Natürlich gibt es Familien mit weniger Bildungsbewusstsein. Aber das gibt es in deutschen Familien genauso. Die Kinder können es oft gar nicht erwarten, in die Schule zu kommen, das ist schließlich ein Stück geregelter Alltag.

Können Sie Ihre eigene Biografie für die Arbeit nutzen - als Vorbild?

Allerdings, es ist ein ganz wichtiges Signal. Ich erlebe das in Gesprächen, in der Beratung, als Lehrerin: Ich kann zeigen, dass man es schaffen kann, dass Herkunft keine Rolle spielen muss, dass Türen nicht verschlossen sind. Ich bin kein Freund von Quoten. Aber wenn wir von interkultureller Öffnung reden, brauchen wir Leute, die das repräsentieren, zum Beispiel in der Verwaltung.

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