Förderung bedürftiger Kinder:Bildungspaket statt Bildungspäckchen

Der Ausbau der Ganztagsschulen war eine bildungspolitische Großtat - wenn die aktuelle Regierung bedürftigen Kindern helfen will, muss sie dieses Projekt weiter fördern - und zwei große Hürden überspringen.

Tanjev Schultz

Es war eine bildungspolitische Großtat, die Gerhard Schröder und seine rot-grüne Regierung mit dem Ausbau von Ganztagsschulen vollbracht haben. An diese Großtat müsste Angela Merkel anschließen, wenn sie armen Familien und schwachen Schülern wirklich helfen und mehr leisten will, als Hartz-IV-Empfängern ein Bildungspäckchen zu überreichen, in dem viel Bürokratie und wirkungsloses Füllmaterial steckt.

Schulstartpaket

Schulkinder aus Bayern: Inzwischen sind Politiker aller Parteien sich einig, dass der Ausbau der Ganztagsschulen richtig und wichtig ist.

(Foto: dpa)

Vier Milliarden Euro investierte die Regierung Schröder in Ganztagsschulen. Die Bedeutung des Programms erschöpft sich aber nicht im Geld für Kantinen und Klassenzimmer. Das Programm beförderte eine mentale Wende. Zuvor war Deutschland das Land der Halbtagsschule und der Halbtagsbildung. Politiker der Union taten so, als seien Ganztagsschulen sozialistische Anstalten, die den Familien die Kinder rauben. Doch mittlerweile haben Unionsvertreter, von Annette Schavan bis Horst Seehofer, eingesehen, dass Ganztagsschulen Familien nicht zerstören, sondern entlasten. Und dass sie dazu beitragen, die Schüler besser zu fördern - vor allem dann, wenn sie zu Hause wenig Hilfe bekommen.

Im Grundsatz sind sich die Parteien nun einig, dass Ganztagsschulen richtig und wichtig sind und ihr Ausbau weitergehen muss. Die Kultusminister bemühen sich darum; einige mehr, andere weniger, und wie es die Finanzminister und die Haushaltslage der Länder gerade zulassen. Will Deutschland beim Einrichten von Ganztagsschulen nicht auf halber Strecke aufgeben, reicht das nicht. Die Bundesregierung müsste noch einmal in großem Stile mithelfen. Es wäre ein Bildungspaket, das diesen Namen wirklich verdiente.

Das derzeit geplante Paket für Hartz-IV-Empfänger enthält zu wenig, was den Kindern wirklich nützt. Es verspricht ein kostenloses Mittagessen in der Schule - doch vielerorts gibt es noch immer keine Küche und kein reguläres Programm am Nachmittag. Das Paket enthält Gutscheine für außerschulische Nachhilfestunden - während die Schulen weiterhin zu wenig Förderangebote, Pädagogen und Psychologen haben.

Auch die neuen Ganztagsschulen können ihre Angebote oft nur halbherzig umsetzen, weil ihnen Geld und Personal fehlen. Die Programme am Nachmittag sind oft zu unverbindlich und selten gut mit dem Unterricht am Vormittag verknüpft. Wo "Ganztagsschule" draufsteht, sitzen häufig doch wieder nur Halbtagsschüler drin.

Ein zweiter großer Schub

Der Ausbau von Ganztagsschulen braucht deshalb einen zweiten großen Schub, der sich neben dem Baulichen noch stärker auf das Pädagogische konzentriert und dafür auch mehr Fachkräfte an die Schulen bringen müsste (und nicht nur Ehrenamtliche und Honorarkräfte). Die Opposition fordert in den Hartz-IV-Verhandlungen, den Lehrern mehr Sozialarbeiter an die Seite zu stellen. Das wäre ein guter Anfang.

Dem sachlich Sinnvollen stehen, abgesehen von der Finanzierung, zwei große Hürden im Weg. Da ist zum einen das leidige Zuständigkeitsproblem im Föderalismus. In die Schulen und ihre Pädagogik darf der Bund sich nicht direkt einmischen. Rot-Grün musste sich deshalb weitgehend auf Bauinvestitionen beschränken. Nach der Föderalismusreform wäre sogar das schwierig. Und es ist unwahrscheinlich, dass die Parteien dieses Verfassungsproblem schon im Zuge der Hartz-IV-Verhandlungen lösen können.

Zum anderen geht es bei Hartz IV um individuelle Ansprüche und eine Hilfe, die sofort spürbar sein soll. Die Schulen auszubauen und zu stärken, dauert dagegen seine Zeit und lässt sich nicht auf eine enge Zielgruppe wie die Hartz-IV- und die Wohngeld-Empfänger beschränken.

Vernünftig wäre es aber, wenn die Regierung in ihr Bildungspäckchen einen weiteren Gutschein legte: einen Gutschein für ein zweites, echtes Bildungspaket, ein Ganztagsschulpaket. Pack- und Lieferzeit: noch 2011.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: