Förderung für Existenzgründer:Versuch dein Glück - aber ohne unser Geld

Die Regierung will Arbeitslosen, die den Sprung in die Selbständigkeit wagen wollen, den Zugang zu Zuschüssen erschweren. Dabei war das Geld in der Vergangenheit gut angelegt.

Thomas Öchsner

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) träumt von einem Land der Gründer. Die Bundesrepublik, sagt er, brauche einen Mentalitätswandel. Wer pleitegehe, dürfe nicht mehr das "Kainsmal eingebrannt" bekommen. Zumindest für viele Arbeitslose gilt dies offensichtlich nicht. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) und die Jobcenter förderten 2010 etwa 163.000 Erwerbslose, die sich eine selbständige Existenz aufbauen - mit erstaunlichem Erfolg. Aus Arbeitslosen werden oft Unternehmer, die anderen Arbeit geben. Trotzdem will die Koalition Jobsuchenden, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagen wollen, den Zugang zu den Gründerzuschüssen künftig erschweren.

Arbeitslosenzahl sinkt im Oktober unter drei Millionen

Die Bundesregierung will den Zugang zu Zuschüssen für arbeitslose Existenzgründer erschweren.

(Foto: dapd)

425.000 gewerbliche Gründungen gab es 2010, das schätzt das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn. Nicht ganz jeder dritte Gründer war vorher arbeitslos gemeldet. Diese arbeitslosen Existenzgründer haben aber nicht den besten Ruf. Sie gelten als "Not-Gründer" mit wenig Kapital, geringem technischen Pioniergeist und schlechten Überlebenschancen am Markt, die vor allem eines wollen: raus aus der Arbeitslosigkeit und Hartz IV.

Professor Alexander Kritikos, Abteilungsleiter im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), sieht dies anders: "Gründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus sind eher selten Gründungen zweiter Klasse. Rund zehn Prozent von ihnen beginnen nur aus der Not heraus", sagt er. Die Mehrzahl aller Gründer wollten auch wirklich ihr eigener Chef sein. "Sie müssen nicht nur, sie wollen auch", sagt Kritikos. Und das zahlt sich offenbar aus.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das zur Bundesagentur für Arbeit (BA) gehört, hörte bei 3000 von der BA geförderten Existenzgründern nach, was aus ihnen geworden ist. Das Ergebnis: 55 bis 70 Prozent der Geförderten waren gut fünf Jahre nach der Gründung noch selbständig. 20 Prozent hatten einen sozialversicherungspflichtigen Job, doch nur zehn Prozent waren erneut arbeitslos gemeldet.

Das Bonner IfM kam zu ähnlich positiven Ergebnissen, als es den Werdegang von Gründern verfolgte, die vorher arbeitslos oder von Jobverlust bedroht waren. Demnach sind neun von zehn mit ihrem Schritt in die Selbständigkeit - meist sogar sehr - zufrieden. Das Institut merkt aber in seiner Studie an, dass die soziale Absicherung der Gründer häufig nicht ausreiche. "Der finanzielle Aufwand für die Einkommenssicherung bei Krankheit und im Alter ist vergleichsweise hoch. Hier bestehen bei vielen Selbständigen Lücken."

Sparen, wo es wehtut

Der Höhepunkt des Gründungsbooms unter Arbeitslosen ist allerdings längst vorbei. 2004, ein Jahr nach Einführung der "Ich-AG", zählte die BA mehr als 350.000 geförderte Gründer, die vorher auf Jobsuche waren. Die Ich-AG gibt es inzwischen nicht mehr.

Die Bundesagentur beschränkt sich auf zwei Hilfen: Wer Arbeitslosengeld I (ALG I) bezieht, erhält für neun Monate Fördergeld in Höhe des ALG I. Zusätzlich gibt es 300 Euro für die soziale Absicherung. Nach einer Erfolgsprüfung kann die BA für weitere sechs Monate einen Zuschuss von maximal 300 Euro zahlen. 2011 sind dafür 1,8 Milliarden Euro vorgesehen. 2010 kassierten das Geld mehr als 146.000 Personen, 6,9 Prozent mehr als im Vorjahr.

Wer länger arbeitslos ist, Hartz IV (Arbeitslosengeld II) erhält und sich selbständig macht, erhält dagegen das Einstiegsgeld, für maximal zwei Jahre. Es kann je nach Dauer der Arbeitslosigkeit und der Größe des Haushalts mehrere hundert Euro betragen. 16.500 Hartz-IV-Empfänger haben davon 2010 profitiert - ein Minus von fast 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wohl auch weil die Arbeitsvermittler in den Jobcentern stärker prüfen, ob das Einstiegsgeld wirklich gut angelegt ist.

Knapp 50 Millionen Euro kostet die Förderung - mit positiven Folgen. So fanden die Arbeitsmarktforscher des IAB heraus, dass die Beschäftigungsquoten der Geförderten drei Jahre nach Auszahlungsbeginn deutlich höher sind als bei denen, die kein Geld bekommen haben. Es gebe zwar auch welche, die sich ohne den Zuschuss am Arbeitsmarkt etabliert hätten. Im Fachjargon ist dann von "Mitnahmeeffekten" die Rede. Trotzdem könne die Förderung dazu beitragen, "dass die zukünftige Erwerbskarriere deutlich stabiler verläuft, als dies ohne Förderung der Fall gewesen wäre", heißt es beim IAB.

DIW-Experte Kritikos hält die Hilfen für Existenzgründer deshalb für das "vielleicht sogar erfolgreichste Instrument" der Bundesagentur für Arbeit. Die Pläne bei der Reform der Förderinstrumente, die Förderung von 2012 an einzuschränken, beobachtet er mit Sorge. "Wenn Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen sparen muss, sollte sie dies lieber bei den Maßnahmen tun, die weniger effektiv sind", sagt der Professor. Das Arbeitsministerium sieht dies anders: Von der Leyen will unerwünschte Mitnahmeeffekte künftig ausschließen.

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