Fernuniversität Hagen:Gut vernetzt

Oliver Bierhoff hat dort 28 Semester studiert: Die Fernuniversität Hagen ist eine der größten Unis bundesweit. Sie bietet jenen eine Lösung, die sich neben dem Beruf weiterbilden wollen.

J. Biazza

Der Manager der Fußballnationalmannschaft, Oliver Bierhoff, hat dort während seiner Zeit als Spieler 28 Semester studiert. Derzeit nutzt auch der Handballspieler Lars Kaufmann das Studienangebot, und viele tun es den beiden Sportlern gleich: Die Fernuniversität Hagen ist mit mehr als 43.000 Studenten seit diesem Semester die größte Hochschule Nordrhein-Westfalens und eine der größten Unis bundesweit. Längst bietet sie nicht mehr nur jenen eine Lösung, die sich neben dem Beruf weiterbilden wollen. Sie ist beliebt bei ehrgeizigen Doppelstudenten, bietet aber zusehends auch eine Alternative zum regulären Präsenzstudium. Populäre Fächer ohne Zulassungsbeschränkungen und Studienbeiträge machen die Fernuniversität immer attraktiver.

Fernuniversität Hagen: Fernuniversität Hagen: In diesem Wintersemester schrieben sich 2770 Studenten neu ein.

Fernuniversität Hagen: In diesem Wintersemester schrieben sich 2770 Studenten neu ein.

(Foto: Foto: Fernuniversität Hagen)

Vor kurzem erkundigte sich ein Studieninteressent im Internetforum "uni-protokolle.de" nach dem Numerus clausus (NC) für das Fach Psychologie. Wenige Minuten später erhielt er als Antwort eine ernüchternde Liste: An den meisten Universitäten liege der NC bei 1,4 oder darunter. Im Forum folgte prompt der Rat, sich doch einmal bei der Fernuniversität in Hagen zu erkundigen. Dort gebe es den Bachelor in Psychologie ohne NC. Solche Tipps und Dialoge häufen sich derzeit in vielen Foren.

Sechs Prozent Zuwachs

In diesem Wintersemester schrieben sich 2770 Studenten neu in Hagen ein, 817 mehr als im Vorjahr - ein Zuwachs von 45 Prozent. An den übrigen Universitäten in Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl der Anfänger im Durchschnitt nur um knapp sechs Prozent. Den Zuwachs führt die Sprecherin der Fernuniversität vor allem auf den neuen Bachelorstudiengang in Psychologie zurück. In ihm sind 3272 Studenten eingeschrieben, etwa 700 von ihnen sind Erstsemester.

Mit etwas mehr als 14 Prozent stellen Studenten zwischen 18 und 24 Jahren, diejenigen also, die direkt oder relativ schnell nach dem Abitur beginnen, zwar immer noch die kleinste Gruppe im Bereich Psychologie dar. Die Hochschule räumt jedoch ein, dass dieser Anteil für eine Fernuni hoch sei. Ähnliche Statistiken kann auch die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät vorzeigen, die größte in Hagen. Hier sind die unter 24-Jährigen ebenfalls auffallend stark vertreten. "Wir haben uns schon bemüht, auch die junge Gruppe anzusprechen", sagt die Sprecherin der Hochschule. So könnten manche Abiturienten Hagen den Vorzug vor einer gewöhnlichen Hochschule mit Anwesenheitspflicht geben.

Lehrtexte per Post

Trotz dieses Trends sind die meisten Studenten in Hagen immer noch zwischen 29 und 35 Jahre alt. Etwa 34 Prozent von ihnen haben bereits ein anderes Studium abgeschlossen, die meisten sind auch schon berufstätig. Auf sie ist das Konzept des Fernstudiums vorrangig ausgelegt. Abgesehen von Prüfungen und einigen wenigen Präsenzveranstaltungen können die Studenten daheim lernen. Als Grundlage dienen per Post verschickte Lehrtexte und zunehmend das Internet. Hier werden Vorlesungen und Seminare abgehalten, hier initiieren und leiten Professoren und Mitarbeiter Diskussionsforen. Für die Präsenzveranstaltungen gibt es Studienzentren in den größten deutschen Städten.

Auf der nächsten Seite: Wie an der Fernuniversität Hagen der Teilzeitmodus funktioniert und wie teuer das Studium dort ist.

Gut vernetzt

Studiendauer strecken

Ohne dieses System könnte Anja Kratzke gar nicht studieren. Als es dem Consulting-Unternehmen, in dem sie arbeitete, wirtschaftlich schlechter ging, schrieb sich die heute 32-Jährige für Wirtschaftswissenschaften ein - in Vollzeit. Weil ihre zwei Söhne viel Betreuung benötigen, hätte sie die Anforderungen einer Präsenzuni nicht erfüllen können. Ihren Schritt könne sie "nur jedem empfehlen", sagt Anja Kratzke. "Das System funktioniert gut, bei Fragen helfen die wissenschaftlichen Mitarbeiter ebenso schnell wie das Prüfungsamt."

Anders als Kratzke nutzen etwa zwei Drittel der Studenten den "Teilzeitmodus", also die Möglichkeit, ihr Studium neben dem Job mit weniger Wochenstunden - dafür zeitlich aber natürlich länger - zu absolvieren. 20 Stunden sollten sie in der Woche für ihr Studium in etwa aufbringen, das ist die Hälfte des Pensums der Vollzeitstudenten. Schaffen sie das nicht oder können sie die Prüfungstermine nicht einhalten, lässt sich die Studiendauer weiter strecken.

Spezielle Tarife

Dies ist auch der Hauptgrund, weshalb es in Hagen keine normalen Studienbeiträge gibt: Mit Studiengebühren würden Teilzeitstudenten benachteiligt werden, weil sich für sie nicht abschätzen lasse, wie lange sie brauchen werden, heißt es aus der Uni-Leitung. Bezahlt werden müssen stattdessen einzelne Lehreinheiten, sogenannte Module. Je nach zeitlichem Umfang kosten sie etwa 160 Euro. Bis zum Bachelor macht das zwischen 1400 Euro (Informatik, Mathematik) und 2500 Euro (Rechtswissenschaften). Der Master kostet je nach Fach zusätzlich zwischen 600 und 1300 Euro. Hält man sich an die Regelstudienzeit von sechs Semestern, kostet dagegen ein durchschnittliches Präsenzstudium in Köln oder München im Vergleich 3000 Euro Studiengebühren. Wer an einer Präsenz-Uni länger braucht, zahlt noch mehr.

Die speziellen Tarife werden in Hagen bis 2010 gelten. Vom Wintersemester an könnten dann auch von der Fernuni reguläre Studiengebühren erhoben werden. "Wir suchen jedoch noch nach einem Model, das unsere spezielle Situation berücksichtigt", sagt die Uni-Sprecherin.

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