FDP: Lindner für Deutschpflicht:Man spricht deutsch auf dem Pausenhof

FDP-Generalsekretär Christian Lindner kopiert eine alte Schnapsidee und fordert: Deutschpflicht auf allen deutschen Schulhöfen. Das könnte Probleme bei der Überwachung geben.

Maria Holzmüller

Integrationsdebatte, nächste Runde: Jetzt soll eine Deutschpflicht auf den Schulhöfen die Gesellschaft jetzt retten. In allen Pausen ist dann nur noch eine Sprache zu hören - die deutsche. So fordert es FDP-Generalsekretär Christian Lindner in der Bild-Zeitung. "Es hilft der Integration, wenn dort deutsch nicht nur im Unterricht gesprochen wird, sondern auch auf dem Pausenhof."

DGB lädt zur Diskussion ein - Lindner

Populistische Blüte in einer kuriosen Integrationsdebatte: FDP-Generalsekretär Christian Lindner plädiert für eine Deutschpflicht auf deutschen Schulhöfen.

(Foto: dpa)

Der Mann ist jung, will vielleicht einmal Parteichef Guido Westerwelle beerben und braucht Profil. Klingt ja auch logisch, genau wie: Es hilft der Integration, wenn alle Schüler zu Hause mit ihren Eltern deutsch sprechen. Oder wenn Unternehmen Bewerbern mit Migrationshintergrund stets ohne Vorurteile begegnen.

Ja, wenn... Vielerorts wäre es schon ein Erfolg, wenn tatsächlich im Unterricht nur deutsch gesprochen würde.

Auf dem deutschen Pausenhof sieht das Ganze nochmal anders aus. Was ist, wenn sich ein türkischer Siebtklässler mit seinem Bruder in eine Ecke verzieht und dort auf Türkisch über einen Klassenkameraden lästert?

Ob das überhaupt jemand merkt, ist die erste Frage. Um eine umfassende Einhaltung der Vorschrift zu gewährleisten, müsste der Schulhof geradezu verwanzt werden - noch besser wären natürlich Überwachungskameras, damit der fremde Zungenschlag auch eindeutig zugeordnet werden kann.

Oder verbirgt sich hinter dem generalmäßig originellen Lindner-Vorstoß ein Konjunkturpaket für arbeitslose Lehrer? Sondereinsatzgebiet Pausenhof. Hier wäre Verstärkung nötig, Lehrer heute haben schon genug damit zu tun, zwischen den Schulstunden Schlägereien und Schlimmeres zu verhindern. In welcher Sprache davor diskutiert wird, ist nebensächlich.

Und selbst wenn ein Verstoß gegen die Deutschpflicht bemerkt wird: Was dann? Eine schlechte mündliche Note? Ein Verweis? Ein Redeverbot? Hier fehlt es noch an Ideen, die Lindner vielleicht nachreichen wird.

Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands, schlug kürzlich Sozialdienste oder Geldstrafen für das Reden einer anderen Sprache als Deutsch vor. Das wiederum könnte interessant für die leeren Kassen der Kommunen werden.

Besondere Blüten könnte die Deutschpflicht auch an Schulen fern jeglicher sozialer Brennpunkten treiben. Dort, wo der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund noch verschwindend gering ist, stünden Schüler und Lehrer mancherorts vor ungeahnten Herausforderungen.

Was ist eigentlich mit dem schönen, aber etwas eigenartigen Bayerisch oder anderen Dialekten, die im Klassenzimmer dem Hochdeutschen weichen müssen? Fühlt sich ein Schüler aus Hamburg in einer Schule im oberbayerischen Traunstein ausgegegrenzt, weil einige Klassenkameraden sich in der Pause auf Bayerisch unterhalten? Wenn Integration, dann für alle bitteschön.

Neu ist die Diskussion jedenfalls nicht. Schon 2006 sorgte der stadtbekannte Hamburger CDU-Politiker Robert Heinemann mit dem Vorschlag für Aufruhr, Schüler, die nicht deutsch sprechen, sollten dazu verpflichtet werden, den Pausenhof zu fegen. Dass sich die Regelung seitdem nicht bundesweit durchsetzen konnte, hätte FDP-Mann Lindner zu denken geben müssen. Eine aufgewärmte Idee bringt selten den großen Durchbruch. Das hätte er schon in der Schule lernen können. Unterstützung bekommt er jetzt aber auch von Integrationsministerin Maria Böhmer, die Deutsch zur Pflichtsprache an Schulen machen möchte.

In Zeiten, in denen Meldungen über Deutschfeindlichkeit an deutschen Schulen die Ängste besorgter Eltern schüren, wird der Vorstoß der FDP aller Absurdität zum Trotz wohl dennoch auf offene Ohren stoßen.

Eine Partei, die mitten im Umfagetief steckt, kann ein bisschen Zustimmung aus der Bevölkerung gebrauchen. Und dafür ist scheinbar jedes Mittel recht, das machte die CSU unlängst vor. Ein bisschen Populismus kann auch der FDP nicht schaden - bitter nur, dass er auf dem Rücken von Schulkindern ausgetragen wird.

Die müssen schon ohne absurde Auflagen hart genug arbeiten, um sich im deutschen Schulsystem durch alle Schulreformen hindurch einen Abschluss zu erkämpfen.

Take a break: Vielleicht sollte Christian Lindner einfach einmal Pause machen.

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