FDP: Lasse Becker:"Es kann vorkommen, dass man eine Fußnote vergisst"

Spöttische Kommentare für den Doktoranden: Lasse Becker ist Chef der Jungen Liberalen - und promoviert. In Zeiten der Plagiatsaffären um Guttenberg und Koch-Mehrin ist das eine Herausforderung.

Maria Holzmüller

sueddeutsche.de: Herr Becker, wie fühlt es sich derzeit an, promovierender Politiker zu sein?

Lasse Becker als Bundesvorsitzender der Jungliberalen wiedergewaehlt

Lasse Becker, 28, ist Bundesvorstand der Jungen Liberalen. Neben der Politik schreibt er gerade an seiner Doktorarbeit.

(Foto: dapd)

Lasse Becker: Ich bekomme im Moment natürlich regelmäßig spöttische Kommentare zu hören, die Anspielungen haben stark zugenommen seit der Guttenberg-Affäre. Die meisten Sprüche kommen aber von Leuten, die mich nicht kennen und nicht wissen, wie ich an meine Doktorarbeit herangehe.

sueddeutsche.de: Welche Anspielung ist Ihnen besonders in Erinnerung?

Becker: Den bittersten Moment habe ich als Zuschauer bei einer Preisverleihung für eine Forschungsarbeit erlebt. Der Laudator fing an, über den Preisträger zu sprechen, zuerst ganz normal: "Er hat da und da studiert" - dann gab es eine Pause, dann kam "er hat an der Universität Bayreuth promoviert" - da gab es schon unterdrücktes Glucksen im Publikum - und als er dann noch sagte "mit summa cum laude" - ist der Saal in Gelächter ausgebrochen. Das ist für Wissenschaftler eine sehr schwierige Situation.

sueddeutsche.de: Wie sehr beschäftigen die FDP die Plagiatsvorwürfe an Silvana Koch-Mehrin?

Becker: Das kann ich nicht kommentieren. Ich kenne weder die Doktorarbeit von Silvana Koch-Mehrin, noch das zugehörige Gutachten. Aufgrund von Halbwissen aus Gerüchten sollte man bei so einem Thema nicht hantieren und vorschnelle Bewertungen vornehmen.

Ein Tag pro Woche für die Promotion

sueddeutsche.de: Als Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen haben Sie einen vollen Terminplan. Wie bekommen Sie Ihre Promotion und die Politik unter einen Hut?

Becker: Ich habe meine Promotion vor anderthalb Jahren begonnen, damals habe ich noch nicht damit gerechnet, JuLi-Bundesvorsitzender zu werden. Die Entscheidung, für den Vorsitz zu kandidieren, habe ich mit meinem Doktorvater besprochen. Heute versuche ich, mir einen Tag pro Woche für die Promotion frei zu halten - an diesen Tagen bin ich nur in den Mittagspausen oder am Abend für die Politik erreichbar. Aber ein Tag ist natürlich sehr wenig. Deshalb werde ich die Fertigstellung sicher nicht in zwei oder drei Jahren schaffen.

sueddeutsche.de: Warum wollten Sie ursprünglich promovieren?

Becker: Nach meinem Studium und nach meiner Diplomarbeit wollte ich noch tiefer in das Thema eindringen. Ich hatte aber nie das unbedingte Ziel, danach weiter in der Wissenschaft zu bleiben. Ich sehe meine Promotion als große Herausforderung, die Tätigkeit in der Politik macht sie einfach noch ein bisschen fordernder. Vor allem, weil Promotion und Politik zwei komplett andere Taktungen haben. Die Politik ist äußerst schnelllebig. Auf Twitter muss man seine Message in 140 Zeichen verpacken, im Fernsehen gibt man 90-Sekunden-Statements. Für die Promotion braucht man hingegen viel Zeit, um sich wirklich in ein Thema einzuarbeiten.

sueddeutsche.de: Im Zuge der Guttenberg-Debatte gab es Forderungen, nicht mehr so viele "Karriere-Promotionen" zuzulassen. Doktoranden, die nicht das Ziel haben, weiter in der Wissenschaft tätig zu sein, seien unerwünscht, hieß es. Fühlen Sie sich angesprochen?

Becker: Ich würde mich nicht als "Karriere-Doktoranden" bezeichnen. Es gibt einfachere Methoden, um Karriere zu machen. Ich promoviere, weil ich mich wissenschaftlich tiefer mit einem Thema beschäftigen möchte und weil es mich interessiert. Egal wofür jemand einen Doktortitel will, wichtig ist vor allem, dass die Arbeit einen wissenschaftlichen Anspruch hat. Das muss immer der Fall sein.

"Es ist ehrenvoller, abzubrechen"

sueddeutsche.de: Sind Sie nach den Plagiatsaffären vorsichtiger beim Schreiben?

Becker: Meine Arbeit an der Promotion hat sich nicht verändert. Mir war schon vorher klar, dass jemand, der in der Politik ist, dreimal vorsichtiger sein muss, was Fehler angeht.

sueddeutsche.de: Wie beurteilen Sie selbst die Plagiatsaffären?

Becker: Meine erste Reaktion im Gespräch mit meinem Doktorvater, nachdem die Plagiate in Guttenbergs Arbeit herauskamen, war: "Drei Zeilen ohne Fußnote - das kann schon mal passieren." Wer wirklich drin ist in seiner Doktorarbeit würde sich nie hinstellen und ausschließen, dass vielleicht ein paar Fußnoten fehlen. Das ist eigentlich das Ärgerlichste an der Guttenberg-Geschichte. Wenn man einen Artikel zwanzig Mal gelesen hat, dann kann es schon vorkommen, dass man einen Satz übernimmt und die Fußnote vergisst. Aber aus Versehen eineinhalb Seiten abschreiben? Das kann ich mir nicht vorstellen. Und das ist aus meiner Sicht das Glaubwürdigkeitsproblem bei Guttenberg.

sueddeutsche.de: Haben Sie Verständnis dafür, dass ein Politiker, der sehr viel um die Ohren hat, für seine Promotion zu Hilfsmitteln greift?

Becker: Nein. Wenn ich mich für eine Promotion entscheide, dann entscheide ich mich für eine Promotion. Es gibt ja genug Leute, die sie irgendwann abbrechen, weil sie es zeitlich nicht mehr schaffen. Wenn man zu beschäftigt ist, halte ich es für den ehrenvolleren Weg, grundsätzlich in Frage zu stellen, wie sinnvoll dann eine Promotion noch ist.

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