Existenzgründer:Sechs Minuten im Rampenlicht

Wer langweilt und Powerpoint benutzt, hat schon verloren: Wie junge Unternehmer versuchen, Geldgeber für ihre Ideen zu gewinnen.

Jutta Pilgram

Dies sind die teuersten Minuten im Leben von Tobias Kobier. 6500 Euro hat er bezahlt, um sechs Minuten auf dieser Bühne zu stehen. Sechs Minuten, um vor Investoren, Firmenvertretern und Medienleuten über seine Geschäftsidee zu reden. Sechs Minuten, um gleichzeitig mitreißend und seriös zu wirken. Und dabei auch noch ganz entspannt auf Englisch einen komplexen Sachverhalt zu erklären. Die Idee des 31-Jährigen heißt "Tradoria", ein E-Commerce-Portal für kleine Händler, das einfacher und sicherer zu bedienen sein soll als die Website des großen Konkurrenten Ebay.

Zwanzig marktreife Geschäftsideen stehen bei der "Demo Germany" in München auf dem Programm, zwanzig mal sechs Minuten. Die Regeln sind streng: Wer langweilt, verliert das Interesse des Publikums. Wer die Zeit überzieht, wird gnadenlos abgewürgt. Wer das Präsentationsprogramm Powerpoint benutzt, wird gar nicht erst zugelassen. "Finanzierungs- und Produkt-Launch-Plattform" nennen die Veranstalter dieses Konferenz-Format, das seit 16 Jahren in den USA und neuerdings auch in China junge Unternehmer mit Geldgebern zusammenbringt. In Amerika tut es das bereits mit einigem Erfolg: Der Internet-Telefonanbieter Skype und der Taschencomputer-Hersteller Palm besorgten sich auf Demo-Konferenzen ihr Startkapital.

Ein Tusch wie auf der Oscar-Verleihung

Es ist dunkel in dem alten Kinosaal am Deutschen Museum. Nur die Laptops und Handys der vierhundert Anzugträger im Publikum flackern wie kleine blaue Lagerfeuer, leise klappern die Tastaturen. Vorne auf der Bühne zeigt eine überdimensionale Stoppuhr sechs Minuten an. Dann erklingt ein Tusch, der jeder Oscar-Verleihung Ehre machen würde, Scheinwerfer leuchten auf, und Tobias Kobier und seine Geschäftspartnerin Beate Rank treten auf die Bühne. Der Countdown läuft.

Wie man sich kurz fasst, virtuelle Produkte anschaulich darstellt und auf die vertrauten Powerpoint-Folien verzichtet - das haben die jungen Unternehmer nicht an der Uni gelernt. "Die meisten Teilnehmer müssen es im Vorfeld üben", sagt Hagen Hultzsch, früher Telekom-Vorstand und heute Vorsitzender des "Demo Advisory Boards". Dieses Gremium hat etwa 750 Bewerbungen gesichtet und daraus zwanzig Teilnehmer ausgewählt. Sie kommen aus Deutschland, Israel, Kanada, Spanien, den USA und der Schweiz. In "Pitch Camps" wurden sie auf ihren großen Auftritt vorbereitet.

Ein "Pitch" ist in der Marketing-Sprache eine kurze Präsentation, mit der eine Firma im Kampf um einen Auftrag ihre Vorzüge anpreist. Ein "Elevator Pitch" ist eine besonders schnelle Präsentation - beim Üben stellt man sich vor, dass eine Fahrt im Aufzug reichen muss, um den Zuschlag zu bekommen.

Formate wie "Speed-Dating" oder "Popstars" haben auch die Welt der Gründer und Geldgeber erreicht - lesen Sie mehr.

Die Pitches auf der Demo-Konferenz sind nicht alle überzeugend. Manche Teilnehmer wirken steif wie typische Nerds, die gerade einen Charisma-Workshop absolviert haben. Andere spulen ihre auswendig gelernten sechs Minuten ab und demonstrieren eindrucksvoll, dass die Sprache bei internationalen Tagungen heute nicht "Englisch" heißt, sondern "schlechtes Englisch". Manche versuchen es mit lässigen Witzen, andere mit Marktschreierei. "It's just magic! Only one click! And it's all free!", ruft Fabien Roehlinger, Gründer der Karlsruher Stage Space AG, die eine komfortable Software für dreidimensionale virtuelle Welten entwickelt hat.

Sechs Minuten im Rampenlicht

Immerhin, langweilig wird es nie. Dabei kommen alle Teilnehmer aus ähnlichen Bereichen. Dass Unternehmer aus Informationstechnologie und Telekommunikation in der Überzahl sind, liegt wohl daran, dass der Veranstalter der IDG-Verlag ist, zu der auch die Magazine Computerwoche und CIO gehören. Präsentiert werden Anwendungen für Computer, Internet und Handy - sowohl für den Massenmarkt als auch für spezielle Zielgruppen. Da gibt es beispielsweise eine personalisierte Suchmaschine, die aus dem Nutzerverhalten automatisch individualisierte Ergebnisse filtert, oder eine Software, mit der Handy-Anrufer mobile Voice-over-IP-Verbindungen kostenlos nutzen können, oder ein Verfahren, das Fotos von der Digitalkamera mittel GPS auf der Landkarte lokalisiert.

Zwischen den Präsentationen findet das Networking statt

Ob auf der Bühne oder an den kleinen Messeständen vor dem Kinosaal, wo in den Pausen zwischen den Präsentationen das Networking stattfindet - überall wird geknipst, gefilmt, gesurft und gesendet. Die Menschen sind umstellt von Apparaten, die ihr Abbild aufzeichnen, in Form bringen, auf eine riesige Leinwand werfen, multiplizieren und in alle Welt verbreiten, so als habe der Reproduktionskünstler Andy Warhol bei der Veranstaltung Pate gestanden - nicht nur mit seiner Prognose, dass jeder Mensch für ein paar Minuten im Rampenlicht stehen wird. Die Demo-Konferenz zeigt auch, dass Formate wie "Speed-Dating" oder "Popstars", bei denen allein die schnelle Selbstpräsentation zählt, längst alle Bereiche des Lebens erreicht haben, auch die Welt der Gründer und Geldgeber.

Als Gastredner ist Oliver Samwer geladen. Der 34-Jährige ist in diesen Kreisen so etwas wie ein Idol. Mit 26 Jahren erfand er gemeinsam mit seinen Brüdern das Internet-Auktionshaus Alando, ein halbes Jahr später verkaufte er es für 50 Millionen Dollar an Ebay. Anschließend gründete er den Klingelton-Anbieter Jamba, den er ebenfalls mit Gewinn wieder abstieß. Seit zwei Jahren ist Samwer nur noch als Risikokapital-Geber für Internet-Start-ups tätig. "Jetzt ist eine gute Zeit für Gründer"', sagt er. "Wir haben heute Venture Capitalists in Deutschland, die sich nicht hinter ihren amerikanischen Vorbildern verstecken müssen."

Samwer ist auch Investor bei Tradoria. Doch das kleine Unternehmen ist auf der Suche nach weiteren Geldgebern, es will wachsen. "Unsere Vision ist es, eines Tages ein Handelsplatz für ganz Europa zu sein", sagt Gründerin Beate Rank. Gelohnt habe sich die Konferenz auf jeden Fall. "Es gab einige gute Kontakte zu Investoren. Jetzt müssen wir sehen, was daraus wird." Doch die Frage, was ihr Portal nun wirklich besser macht als Ebay, konnte ihre Präsentation nicht beantworten. "Das Besondere an Tradoria ist der Service und die Sicherheit, für die wir einstehen. Manche Probleme, die wir gelöst haben, sind allerdings speziell deutsche Probleme - das hätte die Hälfte des Publikums nicht verstanden", so Rank. "Und wir hatten ja nur sechs Minuten."

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