Urteil am Gerichtshof für Menschenrechte:Ehebruch ist kein Kündigungsgrund

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Urteil mit Folgen: Die katholische Kirche in Deutschland darf einen Organisten nicht entlassen, weil er eine außereheliche Affäre hat. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden - und berührt damit deutsches Kirchenrecht.

Rückschlag für die katholische Kirche: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Kündigung eines Organisten wegen Ehebruchs in Deutschland als unrechtmäßig verurteilt. Deutschland habe damit gegen das Grundrecht auf Schutz des Privatlebens verstoßen, befand das Straßburger Gericht.

Rüge für die katholische Kirche: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied, dass ein Organist nicht gekündigt werden darf, weil er Ehebruch begangen hat. (Foto: dpa)

Die Kirche hatte dem 53-jährigen Mann aus Essen gekündigt, nachdem er seine Frau verlassen hatte und eine außereheliche Beziehung eingegangen war. Er lebte mit seiner neuen Partnerin zusammen, die ein Kind von ihm erwartete.

Das Straßburger Urteil berührt das Kirchenrecht in Deutschland, wonach die Kirchen unter anderem eigene Regeln für Kündigungen festlegen können. So haben sie bislang das Recht, Mitarbeiter für ein Verhalten außerhalb des Dienstes zu entlassen, wenn dieses den Werten und Prinzipien ihrer Glaubensgemeinschaft widerspricht.

Die Straßburger Richter gelangten in dem Fall des Organisten zu dem Schluss, dass dieser zwar vertraglich zugesagt habe, die Grundsätze der Katholischen Kirche zu beachten, was sein Recht auf Privatleben "in gewissem Maße einschränkte". Diese Zusage habe aber nicht als "eindeutiges Versprechen" verstanden werden können, im Falle einer Trennung oder Scheidung ein enthaltsames Leben zu führen.

Auch hätten die deutschen Arbeitsgerichte nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Organist aufgrund seiner Qualifikation nur sehr schwer eine andere Arbeit außerhalb der Kirche habe finden können.

Das Urteil wurde von einer Kleinen Kammer gefällt und ist nicht definitiv: Die Bundesregierung kann innerhalb von drei Monaten eine Überprüfung durch die Große Kammer des Straßburger Gerichts fordern.

Keine Grundrechtsverletzung

In einem zweiten ähnlich gelagerten Fall, bei dem es um die Kündigung eines leitenden Presse-Mitarbeiters der deutschen Mormonenkirche wegen außerehelicher Beziehungen ging, haben die Richter keine Grundrechtsverletzung festgestellt.

Die beiden 53 und 51 Jahre alten Männer hatten gegen ihre Kündigung ohne vorherige Abmahnung geklagt und waren von deutschen Arbeitsgerichten abgewiesen worden. Im Fall des Chorleiters hätten die deutschen Arbeitsgerichte nicht sorgfältig genug zwischen den Rechten des Klägers und des kirchlichen Arbeitgebers abgewogen, befanden die Straßburger Richter.

"Gräulichste aller Sünden"

Im Gegensatz dazu seien im Fall des Mormonen von den Arbeitsgerichten alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt worden. Die Kündigung sei nachvollziehbar.

Dem als Mormone aufgewachsenen Mann "hätte klar sein müssen, welche Bedeutung die eheliche Treue für seinen Arbeitgeber hat", hieß es in der Begründung. Bei den Mormonen gilt Ehebruch als "gräulichste aller Sünden".

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/dapd/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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