Essen an Schulen:Salami-Pizza, Leberkäs-Semmeln, Gummibärchen

Teuer, fett, pappig: Die Kioske in Schulen bieten vor allem ungesunde Lebensmittel an. Dabei kommen viele Kinder ohne Frühstück und Pausenbrot.

Christa Eder

Ferdi hat Hunger. Wie fast jeden Tag geht er in der großen Pause zum Kiosk und genehmigt sich ein Stück Salami-Pizza (2,90 Euro), eine Cola (1 Euro) und etwas Süßes. Heute sind es vier saure Schlangen (je 30 Cent) und ein Leuchtlutscher (1,80 Euro, mit Batterie). Insgesamt zahlt der Drittklässler an der Pater-Rupert-Mayer-Schule in München-Pullach stolze 6,90 Euro für seine Zwischenmahlzeit. Der Snack vom Kiosk ist teuer, ungesund, aber irgendwie auch cooler als die Käsestulle oder die Tomate in der Brotzeitbox.

Teuer, fett, pappig: Die Kioske in Schulen bieten vor allem ungesunde Lebensmittel an. Dabei kommen viele Kinder ohne Frühstück und Pausenbrot.

Lieber Eis statt Obst: Wenn Kinder die Wahl haben, greifen viele lieber zum Süßen statt Gesunden.

(Foto: Foto: AP)

Neben der krachbunten Süßigkeiten-Palette, bestehend aus Lutschern, Schokoriegeln, Gummibärchen, Bagels, Muffins und Eis gibt es am Kiosk auch frisch belegte Vollkornsemmeln oder Obst zu kaufen. Doch die kämen bei den Schülern nicht so gut an, sagt Küchenchef Till Schindler, der an der Ganztagsschule auch für den Pausenverkauf zuständig ist: "Müsli, Obst, Buttermilch - klingt toll und hatten wir alles schon im Angebot. Nur die Schüler kaufen das nicht. Mit den Vollkornsemmeln, die jeden Tag übrig bleiben, kann ich die Amseln füttern."

So wie Schindler argumentieren viele seiner Kollegen. Und weil sie auf ihren Produkten nicht sitzenbleiben und die Verluste geringhalten wollen, nehmen sie lieber unverderbliche Produkte wie Tiefkühlpizza, Baguettes oder Aufback-Croissants ins Sortiment. Denn Pausenverkauf bedeutet in der Regel viel Arbeit und geringer Verdienst. Die meisten Kioskbetreiber arbeiten auf eigene Rechnung. Neben den Kosten für die Lebensmittel fällt oft noch die Pacht für den Kiosk an, die durch den Verkauf gedeckt werden muss. Unter diesem Druck wählen sie lieber Produkte aus, bei denen die Gewinnspanne hoch ist. Mit Leberkäs-Semmeln, Schokoriegeln und Cola ist man da auf der sicheren Seite.

Warum ist es so schwierig, gesundes Essen an den Schüler zu bringen? Annette Nagel ist Ökotrophologin und Vorsitzende des Kuratoriums Schulverpflegung. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Landsberg am Lech, setzt sich seit 25 Jahren bundesweit dafür ein, die Ernährungssituation an Kinderkrippen, Kindertagesstätten und Schulen zu verbessern: "Wir glauben, dass die Hausmeister, die ja die Theorie in die Praxis umsetzen sollen, geschult werden müssen und setzen daher auf Fortbildung", sagt Nagel. "Daher bieten wir Kioskbetreibern regelmäßig Schulungen für eine bedarfsgerechte Pausenverpflegung an."

Schnittlauch auf dem Brot

Etwa zwölf Millionen Kinder und Jugendliche gehen in Deutschland zur Schule. Sie verbringen dort die Hälfte oder drei Viertel ihres Tages. Viele von ihnen erscheinen ohne Frühstück und ohne Pausenbrot zum Unterricht und versorgen sich regelmäßig am Kiosk. "Dem Pausenverkauf fällt damit ungewollt ein Auftrag für geeignete Ernährung zu", sagt Nagel. Laut Schulordnung hat jeder Schulleiter Einfluss auf das Essensangebot in seinen Räumen. Inwieweit er diese Möglichkeit ausschöpft, hängt von seinem Interesse und Engagement ab.

Salami-Pizza, Leberkäs-Semmeln, Gummibärchen

"Wir haben einmal im Jahr eine Essensbeiratssitzung mit der Küche und beraten über die Zusammenstellung des Mittagessens und des Pausenverkaufs. Da wird oft stundenlang diskutiert, und was wir nicht für sinnvoll halten, wird aus dem Sortiment genommen", sagt Ralf Grillmayer, Schulleiter der Ganztagsschule in München-Pullach. Wieso gibt es dann so viel minderwertigen Süßkram am Kiosk seiner Schule? "Wir diskutieren seit langem das Thema und halten es nicht für sinnvoll, Süßigkeiten ganz zu verbieten. Unsere Erfahrung hat gezeigt: Wenn die Schüler hier nichts Süßes bekommen, kaufen sie es eben woanders."

Lehrer und Eltern haben durchaus Möglichkeiten, die Situation zu verändern, sie müssen sie nur nutzen. "Wenn alle an einem Strang ziehen, laufen ganz tolle Sachen", sagt Ökotrophologin Nagel. "Zum Beispiel kann sich der Hauswirtschaftsunterricht bei der Zubereitung einklinken. Man kann die Schnitten besonders appetitlich präsentieren, dann essen die Kinder durchaus das Butterbrot mit Schnittlauch oder Frischkäse, den Obstspieß oder die Vollkornwaffeln." So wie an der Münchner Ludwig-Thoma-Realschule. Ernährung und Bewegung gehören hier zum Schulprofil. Zuckerhaltige Getränke und fettige Speisen gibt es gar nicht, Weißmehlprodukte kaum, stattdessen frische Milch, Mineralwasser, Vollkornbrote, belegt mit Putenfleisch, Tomate oder Gurke. Daneben gibt es Ernährungslehre im Unterricht, Projekttage oder Kochkurse.

"Die Schüler entwickeln ein Bewusstsein für gesundes Essen, das wirkt sich auch auf das Kaufverhalten aus", sagt Schulleiter Claus Tomke. "Wir arbeiten hier mit sanftem Druck und Überzeugung." Tomke schöpft seinen Spielraum, bei der Schulverpflegung mitzubestimmen, voll aus. Diese Möglichkeit ist in Paragraf 110 der Realschulordnung festgeschrieben. Wenn Frau Lachner, die Kioskbetreiberin an der Ludwig-Thoma-Realschule, ihren Pausenverkauf bestückt, tut sie das in enger Absprache mit Tomke und dem Elternbeirat. Die Kinder nähmen das gesunde Angebot sehr gut an, sagt Tomke, nur beim Obst hielten sie sich zurück. "Natürlich gibt es auch bei uns Zugeständnisse - ab und zu Blätterteigapfeltaschen oder im Sommer Eis."

Obwohl die Folgen von fettem, süßem und vitaminlosem Essen hinreichend bekannt sind, ist das Ernährungskonzept der Ludwig-Thoma-Realschule eine große Ausnahme an deutschen Schulen. In Großbritannien wird seit den Sommerferien erprobt, ob man Schüler und Eltern zu ihrem Glück zwingen kann. Chips, Schokoriegel, Softdrinks und Chicken Wings wurden per Gesetz vom Speiseplan der Schulkantinen gestrichen, stattdessen werden mindestens zwei Portionen Obst und Gemüse pro Mahlzeit sowie regelmäßig Geflügel, Fleisch und Fisch von hoher Qualität serviert.

Mehr als 400 Millionen Euro stellt die britische Regierung zur Verfügung, um die Essensqualität zu verbessern. Wäre das auch ein Weg für deutsche Schulen?

Verbote oder Vorbilder

Annette Nagel bezweifelt das. "Ich begrüße zwar jede Maßnahme, die in Richtung Qualitätsernährung geht, halte es aber für problematisch, mit Verboten zu arbeiten." So glückte schon 1987 der "Müsli-Erlass" des saarländischen Kultusministeriums, dem weitere Bundesländer folgten, nicht. Das Verbot von Süßigkeiten und die Verordnung von optisch und geschmacklich wenig attraktiven Vollkornprodukten wurde von den Schülern nicht angenommen.

Erst vor einer Woche hat der Verband Bildung und Erziehung bei der Tagung "Generation XXL" dazu aufgerufen, das Thema Ernährung an den Schulen stärker zu beachten. Derzeit gebe es trotz Nachmittagsunterrichts an viel zu wenigen Schulen Mensen. Wenn Mensen vorhanden seien, dann sei bei der Auswahl der Catering-Unternehmen der niedrigere Preis meist wichtiger als die Qualität der Mahlzeiten. Der Pädagogenverband fordert daher, die Verpflegung in Schulen an den "Mindeststandards für gesunde Ernährung" auszurichten.

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