Erzieherinnen-Mangel:"Das gefährdet das Wohl der Kinder"

Viel zu wenig Betreuerinnen - die auch noch schlecht ausgebildet sind: Eine aktuelle Studie zeigt drastische Mängel in der Kinderbetreuung auf.

F. Berth

In vielen ostdeutschen Kinderkrippen muss eine Erzieherin mehr als zehn Kleinkinder betreuen. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die an diesem Donnerstag veröffentlicht wird. "Das ist meilenweit entfernt von internationalen Standards", warnt der Leiter des Deutschen Jugendinstituts, Thomas Rauschenbach. "In solchen Fällen kann sich eine Erzieherin nicht angemessen um jedes Kind kümmern", sagt Rauschenbach.

Erzieherinnen-Mangel: Erzieherinnen-Mangel: Je kleiner die Kinder, desto mehr Betreuung brauchen sie.

Erzieherinnen-Mangel: Je kleiner die Kinder, desto mehr Betreuung brauchen sie.

(Foto: Foto: ddp)

Die Bertelsmann-Stiftung nutzt für den "Ländermonitor" amtliche Daten vom März 2008. Dabei zeigen sich extreme Ost-West-Unterschiede. In Thüringen besucht jedes dritte Krippenkind eine Kita, in der auf eine Erzieherin zehn oder mehr Kinder im Alter von bis zu sechs Jahren kommen. In Brandenburg und Sachsen muss jedes fünfte Kind dies aushalten, in Mecklenburg-Vorpommern jedes siebte. "Das gefährdet das Wohl der Kinder", sagt Anette Stein von der Bertelsmann-Stiftung; bei einem Personalschlüssel von 1:10 sei "keine verantwortliche Betreuung" mehr möglich.

Höchstens fünf Kinder pro Erzieherin

Derart schlechte Personalschlüssel gibt es im Westen nicht. Dort sorgen einige Bundesländer - Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein - für eine leidlich gute Personalausstattung: Immerhin hat ein Teil der Krippen in diesen Ländern einen Personalschlüssel unter 1:5. Das bedeutet, dass eine Erzieherin höchstens fünf Kinder betreuen muss. Allerdings ist das auch im Westen nicht Standard; die meisten Krippen hier haben Personalschlüssel, die im Mittelfeld liegen.

International fordern Psychologen für unter Dreijährige einen Personalschlüssel zwischen 1:3 und 1:6. Dabei gilt: Je kleiner die Kinder, desto mehr Betreuung brauchen sie. Liselotte Ahnert, eine der renommiertesten deutschen Entwicklungspsychologinnen, plädiert für kleine Gruppen mit intensiver Betreuung: "Dort können Kinder individuelle Beziehungen zu den Erzieherinnen entwickeln- nur das ermöglicht Bildungsprozesse, die dem Alter und den Bedürfnissen der Kleinkinder entsprechen", sagt die Professorin der Universität Wien.

2000 Euro pro Kind

Der Ländermonitor der Bertelsmann-Stiftung zeigt auch Defizite in den westlichen Bundesländern. Hier sind häufig die schlechter ausgebildeten Kinderpflegerinnen im Einsatz - eine Berufsgruppe, die es im Osten nicht gibt. Dort arbeiten in den Krippen fast ausschließlich Erzieherinnen, die zum Teil noch zu DDR-Zeiten intensiv ausgebildet wurden. Außerdem zeigt der Ländermonitor, dass ostdeutsche Länder vergleichsweise viel Geld für Kinderbetreuung ausgeben. Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Hamburg investieren pro Kind jährlich mehr als 2000 Euro; in Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind es weniger als 1200 Euro.

Das liegt vor allem an der Zahl der Einrichtungen. Die ostdeutschen Bundesländer finanzieren wesentlich mehr Krippenplätze als westdeutsche; das treibt die Staatsausgaben nach oben. In den West-Ländern dagegen kommt der Ausbau der Krippen nur langsam voran, wie die Bertelsmann-Stiftung feststellt: Im März 2008 gab es für zwölf Prozent der Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz. Angestrebt werden 35 Prozent bis zum Jahr 2013. "Das Ausbautempo muss verdoppelt werden", rechnet die Bertelsmann-Stiftung vor. "Wenn der Ausbau im bisherigen Tempo weitergeht, erreichen wir im Jahr 2013 nur 23 Prozent."

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