Erzieher:Viel Verantwortung, wenig Gehalt

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Die professionelle Betreuung von Kindern ist wichtig wie nie - hat aber einen niedrigen Status.

Von Cornelia Knust

Der Ausbau der Kinderbetreuung ist eine wichtige gesellschaftspolitische Frage." - "Im vorschulischen Bereich sind die Kinder am bildungsfähigsten." Begleitet von solchen Sätzen hat der Deutsche Bundestag Ende Oktober ein Gesetz beschlossen, das bis 2010 rund 230.000 zusätzliche Betreuungsplätze für Kleinkinder schaffen soll. Doch die Bezahlung und das Ansehen der Menschen, die kleine Kinder betreuen, passen nicht zu diesen Worten.

Für 1000 Euro netto hat die Erzieherin Andrea Naumburg Ende der neunziger Jahre ihre Stelle im Pfarrkindergarten in Kranzberg bei München angetreten - nach fünf Jahren Ausbildung zur Gruppenleiterin. Die Anforderungen sind hoch. Nicht nur pädagogisches und psychologisches Fachwissen - auf Fortbildungen ständig erweitert - braucht sie für ihren Beruf, sondern auch viel Einfühlungsvermögen für Kinder und Eltern. "Wir müssen selbständig arbeiten, ständig Ideen kreativ umsetzen und brauchen viel Organisationstalent", sagt Naumburg: "Der großen Verantwortung für die umfassende Förderung der Kinder ist nur eine stabile Persönlichkeit auf Dauer gewachsen."

Der Beruf wird nach Bundesangestelltentarif gezahlt und damit nach Alter, nicht nach Leistung. Kinderpflegerinnen, wie sie in Kinderkrippen und Kindergärten beschäftigt werden, verdienen zwischen 1500 und 2100 Euro brutto im Monat. Das ist dem Tarifarchiv der Hans Böckler Stiftung zu entnehmen. Etwas mehr bekommen die hierarchisch höher angesiedelten Erzieherinnen. Wer eine Kindertagesstätte leitet, kann es im Westen Deutschlands auf ein Gehalt von 2400 bis 3700 Euro bringen. Dagegen erhält ein junger Grundschullehrer schon bei seinem Start ins Berufsleben im Durchschnitt ein Gehalt von 3050 Euro im Monat, wissen die Statistiker der Kultusministerkonferenz.

Schlicht ärgerlich findet Professor Wassilios Fthenakis diesen Unterschied. Der Leiter des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München meint: "Je jünger die Kinder sind, desto besser muss die Qualifizierung und Bezahlung der Fachkräfte sein." Schließlich verbringen die Betreuer unvergleichlich viel mehr Zeit mit den Kindern und können sie viel stärker prägen.

Fthenakis fordert, die "anachronistischen Berufsbezeichnungen" aufzuheben. Er will ein neues Profil für Pädagogen, die mit Kindern von Geburt bis Ende der Grundschulzeit zu tun haben. Auch die Betreuung von Kleinkindern solle auf Universitäten und Fachhochschulen erlernt werden, wie in den meisten Industriestaaten üblich. Mit Blick auf eine bessere Vergütung müssten zudem mehr Männer für die Erziehung gewonnen werden, meint Fthenakis: "Wenn Berufe sich zu Frauenberufen entwickeln, ist das immer ein Problem." Tatsächlich liegt die Frauenquote laut Bundesagentur für Arbeit bei 97 Prozent.

Zwei Jahre müssen Erzieherinnen an einer Fachakademie die Schulbank drücken. Darauf folgt ein Jahr bezahltes Praktikum in einer Kindertagestätte. In Bayern ist neben der Mittleren Reife auch noch ein zweijähriges "Vorpraktikum" Voraussetzung für das Beginnen dieser Ausbildung. Drei bis fünf Jahre also dauert es, bis man sich staatlich anerkannte Erzieherin nennen darf.

"Spaß bringt, wenn ich den Kindern helfen kann, sich später selber zu helfen", sagt Naumburg. Sie will die Persönlichkeiten stärken, den Kindern zeigen, dass auch die kleinen Dinge im Leben wertvoll sind. Die Kinder sollen so dem späteren Schulalltag motiviert und freudig entgegentreten.

"Diese Frauen machen gute Arbeit, auch wenn das nicht auf akademischem Niveau stattfindet", meint Monika Seemann-Pfistner, beim Caritas-Verband für die Erzieherinnen-Ausbildung zuständig. Sie plädiert dafür, an der Ausbildung in Fachschulen festzuhalten, die Eingangsvoraussetzungen jedoch heraufzusetzen: "Mittlere Reife reicht eigentlich nicht aus. Fachhochschulreife wäre besser. Dann könnten unsere Schulen ganz anders arbeiten."

Der Beruf sei überfrachtet mit den Anforderungen der Gesellschaft und finde gleichzeitig zu wenig Anerkennung, sagt sie weiter. Der Status der Kindertageseinrichtungen sei eben nicht derselbe wie zum Beispiel in Frankreich, wo das Lernen größer geschrieben wird als das Spielen: "Alles außer dem sozialpädagogischen Ansatz ist für die Deutschen des Teufels."

Für unter Sechsjährige von "Bildung" zu reden, gilt in Deutschland erst seit der Pisa-Studie als schick. Bayern ist eines der ersten Bundesländer, das einen Bildungs- und Erziehungsplan für Kindergärten vorgelegt hat - nicht ohne Widerspruch zu ernten. Statt die Kleinen mit Fremdsprachen zu traktieren, sollte besser ihre motorische Entwicklung gefördert werden, meinen Heilpädagogen. Wieder andere plädieren trotz leerer Kassen für mehr Betreuer und kleinere Gruppen.

Noch schlechter bezahlt als die Erzieherinnen sind Tageseltern und Kinderfrauen. Drei bis vier Euro verdient im Bundesdurchschnitt eine Tagesmutter pro Stunde und Kind, das sie neben ihrem eigenen Nachwuchs im eigenen Haushalt betreut. Im teuren München sind fünf bis acht Euro die Regel. Kinderfrauen, die in der Wohnung der Kindseltern tätig werden, bringen es auf acht bis neun Euro, sagt Jutta Hinke-Ruhnau vom Bundesverband für Kinderbetreuung in Tagespflege.

Sie beklagt, dass es für diese Tätigkeiten kein Berufsbild gibt, keine vorgeschriebene Ausbildung, keine einheitliche Qualitätskontrolle. Die Frauen agieren wie Freiberufler, dennoch ist, was sie tun, fachlich und steuerlich eher unter Nachbarschaftshilfe angesiedelt.

Der Bundesverband Tagespflege hat jetzt eine Qualifizierungs- und Prüfungsordnung entworfen. Die bietet der Verband Bildungsträgern wie Volkshochschulen und Jugendämtern zur Unterzeichnung an. Elf Lehrgebiete in 160 Unterrichtsstunden, so laute die Vorgabe, sagt Hinke-Ruhnau und gibt zu: "Viele Mütter haben gar nicht die Zeit und das Geld für eine solche Fortbildung."

© SZ vom 10.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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