Erfolgsprogramm Bundesfreiwilligendienst:Egoismus zum Nutzen der Gesellschaft

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Über viel Bürokratie und wenige Freiwillige unkten die Kritiker zu Beginn des Bundesfreiwilligendienstes im Sommer 2011. Ein halbes Jahr später zeigt sich: Das Programm ist ein voller Erfolg. 25.000 Menschen haben bereits einen Vertrag unterzeichnet - weit mehr als vermutet. Will der Dienst weiterhin attraktiv bleiben, muss er sich an eine neue, egoistische Kultur der Freiwilligkeit anpassen.

Charlotte Frank

Was wurde nicht alles geunkt, bevor der Bundesfreiwilligendienst überhaupt gestartet war: Er werde den etablierten Freiwilligenprogrammen "Freiwilliges Soziales Jahr" (FSJ) und "Freiwilliges Ökologisches Jahr"(FÖJ) die Bewerber streitig machen, fürchteten die einen. Andere waren sicher, der neue Dienst sei eine Totgeburt, die viel Bürokratie, aber keinen Ersatz für den auslaufenden Zivildienst schaffen werde. "Nachteilig" nannte ihn das Land Rheinland-Pfalz in einem Bundesratsantrag vom September 2010 ohne Umschweife.

Mehr als 25.000 Freiwillige haben seit Juli einen BFD-Vertrag unterzeichnet - weit mehr als vermutet. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Doch die Zeit hat den Skeptikern unrecht gegeben. Ein halbes Jahr nach Beginn des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) zeigt sich: Das Programm ist ein Erfolg. Und auch die alten Programme FSJ und FÖJ laufen ungehindert weiter. Seit seinem Start im Juli haben mehr als 25.000 Freiwillige einen BFD-Vertrag unterzeichnet, weit mehr als vermutet.

Als Erfolg hat sich erwiesen, dass der neue Dienst für Menschen jeden Alters und jeden Geschlechts offen ist. So arbeiten heute Menschen zwischen 18 bis weit über 50 Jahre in Kindergärten, lesen alten Menschen vor oder helfen in Behinderten-Werkstätten. Dem Dienst kommt aber natürlich auch zugute, dass er in Zeiten doppelter Abiturjahrgänge viele orientierungslose Jugendliche zunächst auffängt und ihnen attraktive Angebote macht.

Für 2012 wird jetzt schon damit gerechnet, dass die Plätze nicht reichen. Diese Entwicklung zeigt, dass der Systemwechsel vom Pflicht- zum Freiwilligendienst gelingen kann. Und dennoch steht der BFD noch vor großen Herausforderungen.

Ineffizienz bekämpfen - Idealismus fördern

Die Vielfalt der sozialen Dienste ist durch ihn zwar gewachsen. Allerdings ist es all denjenigen, die sich für das teure Nebeneinander von FSJ und FÖJ einerseits sowie BFD andererseits eingesetzt haben, bis heute nicht gelungen, die Frage nach dem Sinn dieser Doppelstruktur überzeugend zu beantworten.

Immer noch steht die Frage im Raum, ob es nicht besser gewesen wäre, das eine im anderen aufgehen zu lassen? Doppelte Bürokratie bedeutet schließlich immer auch doppelte Verwaltungskosten.

Der Bundesfreiwilligendienst stützt sich auf einen Markt, der nicht mit Geld geregelt werden kann. Idealismus lässt sich aber nicht wecken, wenn die für den BFD in Frage kommenden Menschen damit Verschwendung oder Ineffizienz verbinden. Der Dienst lebt von sinnvollen Aufgaben und einem guten Ruf - also davon, dass er als sozialer Lerndienst Jugendlichen gerade in Großstädten etwas bietet, das ihnen ein einträglicherer Nebenjob nicht bieten kann.

Eine neue Kultur der Freiwilligkeit

Als Regal-Einräumer im Supermarkt mag man mehr verdienen denn als Freiwilliger in einem Altenpflegeheim, wo es maximal 330 Euro im Monat gibt. Dafür lernt man im Heim mehr, fürs Leben und für den späteren Beruf. Diesen Ruf zu pflegen, bedeutet auch, streng darauf zu achten, dass die staatliche Förderung des Bundesfreiwilligendienstes keine neue staatliche Einflussnahme auf Kirchen, Rotes Kreuz oder Arbeiterwohlfahrt nach sich zieht. (Der BFD wird vom Bund finanziert, FSJ und FÖJ hingegen weitgehend von den Wohlfahrtsverbänden selbst und Kirchen, unterstützt von den Ländern.)

Denn die Attraktivität nicht-staatlicher Organisationen besteht doch gerade darin, dass sie jungen Menschen Freiräume bieten, in denen diese frei von staatlichen Vorschriften ihr Engagement zeigen können.

Diese Freiräume sind vor allem deshalb so wichtig, weil sich die Freiwilligenkultur immer mehr von einem Engagement entfernt, das nur aus Tradition oder Pflichtgefühl erfolgt. Die neue Kultur der Freiwilligkeit ist egoistischer, sie sucht auch Selbstverwirklichung, Spaß, berufliche Qualifikation. Gelingt es dem Dienst, dies zu bieten, so kann er eine Stärkung bürgerschaftlichen Engagements in allen Altersgruppen nach sich ziehen. Dann wird letztlich die ganze Gesellschaft profitieren.

© SZ vom 28.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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