Erfolgsgeschichten:Anfängerin aus Leidenschaft

Miriam Meckel hat festgestellt, dass man auf dem Weg nach oben nicht von jedem geliebt werden kann.

(SZ vom 27.04.2002) Ehrgeizig - das ist ein Wort, das ich nicht mag. Und zwar nicht, weil ich es bin, aber nicht sein möchte. Sondern weil ich glaube, dass der Begriff "leidenschaftlich" die Sache viel besser trifft: Leidenschaft für das, was man tut. Das ist die wichtigste Voraussetzung, um Erfolg zu haben. Und natürlich Disziplin. Selbstbewusstsein. Eine bestimmte Zielorientierung - wobei ich konkrete Karriereziele nie hatte. Es gab den Traum, Auslandskorrespondentin in Hongkong zu werden, das schon. Aber ich habe niemals darüber nachgedacht, Professorin zu werden. Oder Regierungssprecherin und Staatssekretärin.

Miriam Meckel

Miriam Meckel

Vielleicht ist es das, was mich an dem Wort "ehrgeizig" stört: Es klingt so unflexibel, als ob man keine Variationen auf dem Weg von A nach B zulassen könnte.

Erfolge, das sind eher kleine Momente, in denen ich festgestellt habe, dass mir etwas gelungen ist. Als ich zum Beispiel als Praktikantin beim WDR einen karrikierenden Beitrag über das konservierte Hirn von Lenin gemacht habe, war die Redaktion so begeistert, dass ich zum ersten Mal das Gefühl hatte: Ich habe das Zeug zur Fernsehjournalistin. Oder wenn ich einen Vortrag halte und merke, die Leute hören mir gerne zu. Solche Situationen.

Resonanz auf das, was man tut, ist ziemlich wichtig. Sie ist wie ein Spiegel, in dem man sehen kann, ob das, was man tut, richtig ist oder gut oder vernünftig.

Eine Funktion, die unter anderem Netzwerke für mich haben: Wenn ich Entscheidungen treffen muss, frage ich oft frühere Kollegen aus dem Journalismus oder aus der Wissenschaft, was sie darüber denken. Auch mit meinem Vater - er war Theologe und Rektor an einem Gymnasium - rede ich oft und lange. Über politische Fragen und über Persönliches. Wie auch damals, als mir die Stelle in der Staatskanzlei angeboten wurde.

Natürlich habe ich vor jeder neuen Aufgabe eine schlaflose Nacht gehabt. Und immer wieder hat es den Gedanken gegeben, dass ich scheitern könnte. Nicht erst hier. An der Uni hatte ich als Seiteneinsteigerin anfangs ziemlichen Gegenwind: Ich war jung, eine Frau, hatte mich weder habilitiert noch durch sechs Jahre Assistenzzeit gequält. Ich habe irgendwann ein dickes Fell entwickelt, weil ich gemerkt habe: Man kann nicht an jeder Stelle und von jedem geliebt werden.

Als ich dann vor einem Jahr in der Staatskanzlei anfing - wieder als Seiteneinsteigerin -, kannte ich die Situation ja schon. Insofern war es für mich ein Stück Wiederholung, die insgesamt sehr gut verlaufen ist.

Der Erwartungsdruck zu Beginn war natürlich hoch. Ich hatte nach allen Seiten Sensoren: bloß nichts verpassen, bloß nichts falsch machen. Und meine Mitarbeiter haben mich ziemlich intensiv beobachtet. Verständlicherweise. Das hat sich dann relativ schnell gelegt. Trotzdem würde ich im Rückblick beim Eingewöhnungsprozess heute manches anders machen.

Richtig gescheitert bin ich noch nie. Doch Misserfolge gibt es immer wieder: Wenn ich ein Thema nicht vernünftig rübergebracht habe. Oder wenn der Ministerpräsident mit einer Vorlage nicht zufrieden ist. Und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich kürzlich etwas nicht einhalten können. Am Tag des Abgabetermins habe ich einen Aufsatz abgesagt, den ich fest versprochen hatte. Zum einen war es unfair gegenüber den Leuten, die darauf gewartet haben. Zum anderen war es aber auch frustrierend für mich, weil ich die Unterlagen zwar hatte, aber nicht die vier, fünf Stunden zum Schreiben.

Ich glaube, Menschen, die behaupten, sie hätten keine Misserfolge, haben erstens Unrecht und zweitens ein echtes Defizit an Lebenserfahrung. Denn genau wie man Glück erst erfährt, wenn man auch Unglück schon mal erfahren hat, erfährt man Erfolge auch nur, wenn man weiß, was Misserfolge sind. Es gibt das eine nicht ohne das andere.

Aufgezeichnet von Gunthild Kupitz

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: